Die Klimaprioritaeten
einer schmalen Inselkette vor der Küste North Carolinas, kann man dies gut beobachten. Strandhäuser kippen, die Fundamente, die vor einigen Jahren noch sicher vor dem Meer waren, sind unterspült und geben nach.
In Europa leben ein Drittel der Einwohner nach Angaben der Europäischen Umweltbehörde EEA in einem
50-Kilometerstreifen
entlang der Küsten. In Großbritannien und Holland wohnen allein drei Viertel der Bevölkerung in Wassernähe. Die EEA sagt voraus, dass eine Million Wohnungen und Häuser, 82 000 |117| Geschäfte, 2,5 Millionen Menschen und 800 000 Hektar Ackerland in Zukunft von Überflutungen bedroht sind.
Ein wärmeres Klima führt nicht nur dazu, dass die Eismassen in den Polarregionen schmelzen und den Meeresspiegel steigen lassen. Schmelzende Gebirgsgletscher, ob im Himalaja oder den Anden, verursachen zunächst einen Wasserüberschuss, dann einen Mangel. Sie speisen lebenswichtige Flüsse, die Felder bewässern, Turbinen in Wasserkraftwerken antreiben und in deren Einzugsbereich Milliarden Menschen wohnen.
Fällt weniger Regen und Schnee, werden verstärkt
Grundwasserspeicher
angezapft, um den Niederschlagsmangel für die Landwirtschaft auszugleichen. In vielen Regionen Nordafrikas und des Nahen Osten wird mittlerweile weit mehr Wasser verbraucht, als sich erneuern kann. Trinkwasserreservoirs in den trockenen Gebieten zwischen der arabischen Halbinsel und China, die durch Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum bereits überansprucht sind, werden durch den Klimawandel zusätzlich strapaziert.
Die Wasserkreisläufe auf der Erde könnten in den kommenden Jahrzehnten aus den Fugen geraten. Es wird feuchter, trockener, unberechenbarer, je nach Weltregion. »Die zu erwartenden Veränderungen des Wasserhaushaltes werden deutlich über die Grenzen bislang beobachteter Schwankungen hinausgehen«, resümiert das Wissenschaftsmagazin Science . Und alles geschieht im Zeitraffer; das macht es chaotischer, da Ökosysteme lange Zeit brauchen, sich einzupendeln – mit einschneidenden Konsequenzen vor allem für die Landwirtschaft, Wasser- und Energieversorgung und Infrastruktur.
Der Klimawandel zwingt Gesellschaften, sich an eine
veränderteUmweltanzupassen.DasistnichtsNeuesinderGeschichte
der Menschheit. Genauso wenig neu wie Globalisierung. Es ist ein andauernder zivilisatorischer Prozess. Eine entscheidende |118| Frage der Bewältigungsfähigkeit wird sein, wie abrupt die Brüche sind, wie schnell und dramatisch die Veränderungen, wie viel Zeit bleibt, sich darauf einzustellen. Werden ganze Landstriche nicht mehr bewohnbar sein und damit
Wanderungsbewegungen
mit ihrer disruptiven Energie ausgelöst werden? Müssen Atommeiler abgeschaltet werden, nicht weil die Gegner so lautstark sind, sondern weil Flüsse nicht mehr genug Wasser zum Kühlen führen? Wird Wassermangel zu Kriegen führen? Werden die Getreidepreise noch weiter klettern, weil Dürren in China und Australien die Weizenernte verhageln? Werden Gasfördertürme und Eisenbahntrassen in Sibirien und Alaska absacken, wenn Permafrostböden auftauen? Wird Mallorca bald Bornholm heißen? Wird Wein in Dänemark wachsen?
Bislang ging es beim Klimawandel vor allem darum, ihn zu begrenzen, einzudämmen. Sich auf ihn einstellen, ist zwar schon seit einigen Jahren Gegenstand von Expertenrunden, rückte jedoch erst mit der Klimakonferenz von Nairobi 2006 stärker ins öffentliche Blickfeld. Ein Grünbuch der Europäischen Kommission formulierte im Juni 2007 erstmals
Anpassungsschritte
für die europäischen Staaten und empfiehlt den EU-Regierungen frühes Handeln. Nur so ließen sich Risiken vermindern, die ein hastiges Reagieren auf rasche
Klimaveränderungen
mit sich bringen würden. So müssten neue Pflanzensorten gezüchtet und die existierende Infrastruktur wo nötig robuster gemacht werden, damit sie extremem Wetter besser widersteht, müsste Wasser effektiver genutzt und die
Energiewirtschaft
auf Wassermangel und eine steigende Stromnachfrage vorbereitet werden.
Es geht also um die Frage, wie Wirtschaft und Gesellschaft sich justieren, vorbereiten, langfristig planen, wer das alles bezahlen soll, kurz gesagt, wie man über viele Lebensbereiche eine Schablone legt mit der Aufschrift »Anpassung einkalkulieren |119| «. Das entlässt vor allem die Industriestaaten nicht aus der Verantwortung, ihre Treibhausgase drastisch zu reduzieren. Denn je stärker sich das Klima ändert, desto größer wird der Aufwand sein, sich auf die neue
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