Die Klimaprioritaeten
wir doch mal sehen, ob das Haus auch tatsächlich schwimmt. Wir haben es leider noch nicht testen können. Das Modell, das wir gesehen haben, funktionierte aber wunderbar.« Das Beste daran, hier zu wohnen, sei, sagt sie, das man bei Wind und Wetter immer beruhigt zu Bett gehen könne.
Die schwimmenden Häuser fertigt Dura Vermeer, ein holländisches Bauunternehmen. Chris Zevenbergen ist Direktor der Entwicklungsabteilung. Er glaubt, er könne in den nächsten 20 Jahren 20 000 von diesen Häusern in den Niederlanden verkaufen. Die Regierung in Den Haag habe bereits grünes Licht gegeben für 15 weitere flutgefährdete Uferzonen, in denen die Amphibienhäuser nun errichtet werden dürfen und wo Wohnsiedlungen bislang nicht erlaubt waren.
Nach der letzten schweren Flut von 1995, die 250 000 Menschen aus ihren Häusern vertrieb, suchte Dura Vermeer neue Lösungen für Hollands Wohnraumproblem. Die Niederlande sind eines der dichtbesiedeltsten Länder der Erde, hier leben 16,4 Millionen Menschen auf einer Fläche etwa so groß wie Niedersachsen. Mehr als die Hälfte des Territoriums liegt unterhalb des Meeresspiegels. In den überschwemmungssicheren Regionen des Landes gibt es nur noch wenig Platz, Bauflächen sind knapp und kaum zu bezahlen.
Wichtig bei der Lösung war, immer mehr und lieber nicht gegen, sondern mit dem Wasser leben zu lernen. Wasser als Chance, nicht als Gefahr zu sehen. Und dann redeten alle von |115| der wärmeren Erdatmosphäre, vom steigenden Meeresspiegel, von mehr Regen. »Als wir vor acht Jahren anfingen, uns mit schwimmenden Häusern und hochwassersicheren
Konstruktionen zu beschäftigen, haben wir nicht geahnt, dass das Thema Klimawandel so eine rasante Dynamik entfalten wird.« So entwirft und testet Dura Vermeer schon das nächste Projekt: schwimmende Gewächshäuser. »Wir Holländer haben uns über Jahrhunderte an Wasser und ein sich veränderndes Klima angepasst«, erklärt Zevenbergen. »Das ist unsere Geschichte, das ist unsere Kunst.«
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Eine wärmere Erde verändert vor allem eines: die Geografie des Wassers. An dem einen Ort versiegt es zunehmend, an einem anderen steigt es immer mehr und tritt über die Ufer. Das hydrologische Muster folgt grob, mit Ausnahme des Amazonasbeckens, dem Bibelwort: »Wer hat, dem wird noch gegeben. Wer aber nicht hat, dem wird noch genommen, was er hat.«
Die Erfahrungen sind weltweit überall gleich. Küsten brechen weg, Häuser fallen ins Meer. Das Wasser überflutet Slums, verschont aber auch wohlhabende Stadtviertel nicht. Der Ökonom Nicholas Stern schreibt 2006 in seinem Bericht an die britische Regierung, dass 22 Metropolen, darunter New York, London, Mumbai, Kalkutta, Manila, Karatschi und Miami, mit steigendem Meeresspiegel und schweren Überschwemmungen rechnen müssen, sollte sich die Atmosphäre bis 2050 um 3 Grad Celsius erwärmen.
Doch die Zukunft ist bereits Gegenwart. 700 Menschen starben und Tausende wurden obdachlos während der schweren Überschwemmungen in Mumbai 2006. Ein Jahr später kamen Tausend Menschen in Fluten im indischen Bundesstaat Uttar |116| Pradesh ums Leben. Im Bundesstaat Tamil Nadu folgte auf vier Jahren Dürre 2005 eine Flut, die 670 Menschen tötete, 250 000 obdachlos machte, 350 000 Hektar Land zerstörte und 20 000 Kilometer Straße beschädigte – dagegen sind Oderhochwasser ein Naturschauspiel für den Sonntagsausflug. Nach Angaben des Indian Institute for Tropical Meteorology in Pune haben starker und sehr starker Regen über Zentralindien seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts deutlich zugenommen. Der Climate Risk Index, erstellt von der deutschen
Nichtregierungsorganisation
Germanwatch und der Münchener
Rückversicherung
und vorgestellt auf der Bali-Klimakonferenz im Dezember 2007, listet die Philippinen im Jahr 2006 auf dem ersten Platz, heimgesucht von verheerenden Stürmen,
Überschwemmungen
, Tausenden Toten und Milliardenschäden.
Am anderen Ende der Welt, in den USA, ist es auch die Wucht von Wirbelstürmen wie Katarina oder Rita, die im Jahr 2005 über 200 000 Häuser zerstörte (wenn die Städte doch nur hätten schwimmen können), und die Menschen rätseln ließ, ob dies nun alles dem Klimawandel geschuldet sei. Doch das Meer dringt seit langem vor, leise und stetig, auch ohne Stürme. An der Ostküste von New Jersey bis Florida wird der amerikanische Traum langsam weggespült. Seit Jahren frisst sich die See immer weiter in Dünen und Strände. Auf den Outer Banks,
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