Die Klimaprioritaeten
Schließlich werde nur kontrolliert, wie Palmöl produziert, nicht aber, wie es weiter zu Biodiesel |109| verarbeitet wird. Die größte Herausforderung für das Prüfverfahren sei, in den Erzeugerländern von Biotreibstoffen eine »indirekte Landnutzungsänderung auszuschließen«. Damit ist gemeint, dass die nachhaltige Bewirtschaftung einer Palmölplantage nicht dazu führen soll, dass woanders Raubbau betrieben wird. Dies ist kein schwerwiegendes Problem im vergleichsweise wohlhabenden Malaysia, jedoch eine Sisyphosaufgabe in Indonesien, wo eine anarchische Dynamik von Armut und Bevölkerungsdruck am Werk ist und das Fehlen alternativer Einkommensquellen und schiere Not Menschen in die Wälder treiben (siehe das Kapitel »Waldschutz ist Klimaschutz«).
Um den Druck auf noch intakte Wälder zu nehmen, sollte daher brach liegendes Land genutzt werden dürfen. Anders als der strenge FSC-Standard mit seinem Stichjahr 1994 orientiert sich Feige für sein Prüfverfahren an der deutschen
Nachhaltigkeitsverordnung
für Biokraftstoffe. Diese erlaubt, Plantagen auf Land anzulegen, das vor dem Stichjahr 2005 gerodet wurde. »Wir müssen eine Brücke schlagen zwischen absoluten K. o.-Kriterien und legitimer Umwidmung von Land.« Für viele Umweltverbände dürfte dies ein schwer zu schluckender Brocken sein.
Kontrollen und Gütesiegel allein könnten das
Entwaldungsproblem
der Welt aber auch nicht lösen, meint Feige, und verweist auf die »unheilige Allianz aus Wirtschaft und Korruption« in Indonesien. In solchen Fällen könne man nur Schranken einbauen, die die Länder vom Markt so lange ausschließen würden, bis sie hoffentlich ihre Geschäftspraktiken ändern.
Als Vorbild für die zu entwerfenden Produktionsstandards dienen Feige die lückenlosen Prüfverfahren in der
Fleischindustrie
, die sich in kritischen Momenten wie der BSE-Krise bewährt haben: In kurzer Zeit lässt sich der Weg von Rindfleisch zurückverfolgen, können Fehler und Schwachstellen identifiziert und behoben werden.
|110| Gibt es in Zukunft ein funktionierendes und glaubwürdiges Zertifikat, das Umweltstandards garantiert, sollten die Handelsschranken gegen den Import von Biokraftstoffen aus Entwicklungsländern gesenkt werden, damit diese einen leichteren Zugang zum weltweiten Bioenergiemarkt erhalten. Dies schlägt Jacques Diouf vor, Direktor der
Welternährungsorganisation
FAO. Arme Länder könnten so vom Biosprithunger der Industriestaaten profitieren, dadurch ihre Landwirtschaft voranbringen und zugleich saubere Energie für die eigene Bevölkerung bereitstellen. Entwicklungsländer verfügten außerdem über die größten ungenutzten Flächen.
Das Problem der Landkonkurrenz wird damit aber noch nicht verringert. Die Verfügbarkeit fruchtbarer Äcker ist, wie erwähnt, begrenzt. Ein Acker kann nur für Getreide oder Treibstoffe bewirtschaftet werden. Die Ackerfläche lässt sich nicht beliebig vergrößern. Neuland geht auf Kosten von Naturwäldern und Grasland in tropischen Regionen. Um Klima und Ökosysteme zu stabilisieren, müssen Naturräume geschützt werden vor einer weiteren Expansion durch Pflug und Traktor. Im Fall Indonesiens sei es »höchste Zeit«, die Entwaldung zu stoppen. Ansonsten sei die ökologische Tragfähigkeit des Archipels – hierbei geht es neben den Auswirkungen auf die globale Erderwärmung um funktionsfähige regionale Ökosysteme, den Erhalt von Biodiversität und Mikroklima – in wenigen Jahren nicht mehr gegeben, warnt Bernhard Schlamadinger, Direktor der Beraterfirma Terra Carbon, die auf Waldschutz durch Emissionshandel spezialisiert ist, und Co-Autor mehrerer IPCC-Berichte. Die letzten indonesischen Regenwälder würden bei dem aktuellen Entwaldungstempo in zehn bis 20 Jahren verschwunden sein.
Sicher, der klimafreundlichste und ackerlandschonendste Weg, Biokraftstoffe herzustellen, wäre, auf den Anbau von |111| nachwachsenden Rohstoffen völlig zu verzichten; stattdessen organische Abfälle aus der Landwirtschaft wiederzuverwenden. Doch die derzeit verfügbaren Mengen und
Verarbeitungskapazitäten
sind vernachlässigbar gering. Es fehlt hierzu weltweit an Programmen und Projekten. Die Vorstellung erscheint – angesichts der Dynamik auf den Energiemärkten – zudem unrealistisch.
Die Hoffnung liegt darum in neuen Pflanzen.
Biotechnologie-Firmen
forschen fieberhaft nach neuen
Bioethanol-Pflanzen
. Bioethanol lässt sich zwar aus vielen Pflanzen gewinnen, meist jedoch mit hohem Aufwand und
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