Die Klinge der Träume
eine Abschirmung. »Wir wollen doch nicht, dass Ihr etwas… Sinnloses tut.« Ihr Lächeln war bösartig. Egwene seufzte bloß, als sich das Gewebe um sie legte; sie bezweifelte ohnehin, dass sie es geschafft hätte, Saidar zu umarmen, und gegen fünf Schwestern, die bereits von der Macht erfüllt waren, hätte sie sich ohnehin nur wenige Augenblicke behaupten können. Ihre nachgiebige Reaktion schien die Rote zu enttäuschen. »Das ist vielleicht Eure letzte Nacht auf der Welt«, fuhr sie fort. »Es würde mich nicht im Mindesten überraschen, wenn Elaida Euch morgen dämpfen und enthaupten lässt.«
»Oder möglicherweise sogar noch heute Nacht«, fügte ihre schlanke Gefährtin hinzu und nickte. »Ich glaube, Elaida könnte so begierig auf Euer Ende sein.« Im Gegensatz zu Katerine stellte sie lediglich eine Tatsache fest, aber sie gehörte mit Sicherheit auch zu den Roten. Und beobachtete die anderen Schwestern, als hätte sie den Verdacht, dass eine von ihnen den Versuch unternehmen könnte, etwas zu versuchen. Das war schon sehr seltsam!
Egwene behielt ihre Beherrschung bei, verweigerte ihnen die Erwiderung, auf die sie warteten. Die Erwiderung, auf die zumindest Katerine wartete. Sie war entschlossen, ihre Würde bis zum Richtblock zu bewahren. Ob sie nun eine gute Amyrlin gewesen war oder nicht, sie würde auf eine Art sterben, wie es sich für den Amyrlin-Sitz gehörte.
Die Frau, die sich von den beiden Roten fern hielt, ergriff das Wort, und der deutliche Akzent von Arafel in ihrer Stimme erlaubte es Egwene, dem kantigen, schmalen Gesicht, das in dem schwachen Mondlicht kaum zu sehen war, einen Namen zuzuordnen. Berisha Terakuni, eine Graue mit dem Ruf, das Gesetz auf die strikteste und oft härteste Weise zu interpretieren. Immer natürlich nach dem Buchstaben des Gesetzes, aber niemals auch nur mit einem Hauch von Gnade.
»Nicht heute Nacht oder morgen, Barasine, solange Elaida nicht bereit ist, die Sitzenden in der Nacht zusammenzurufen und sie bereit sind zu kommen. Das erfordert ein Hohes Gericht, keine Sache von Minuten oder gar Stunden, und der Saal scheint nicht bereit zu sein, Elaida so zu unterstützen, wie sie es gern hätte, was auch kein Wunder ist. Das Mädchen wird verurteilt werden, aber ich glaube, der Saal wird sich in der Angelegenheit zusammensetzen, wann er es für richtig hält.«
»Der Saal wird zusammentreten, wenn Elaida ihn ruft, oder sie wird ihnen allen Bußen auferlegen, dass sie sich wünschen, es getan zu haben.« Katerine verzog höhnisch die Lippen. »So wie Jala und Merym losgaloppiert sind, als wir sahen, was wir da gefangen haben, weiß sie es mittlerweile, und ich wette, dass Elaida für die da die Sitzenden mit eigenen Händen aus dem Bett zerrt, wenn es sein muss.« Ihre Stimme wurde selbstgefällig und scharf, und das gleichzeitig. »Vielleicht wird sie Euch als Stuhl der Begnadigung benennen. Würde Euch das nicht gefallen?«
Berisha richtete indigniert die Stola auf ihren Armen. In einigen Fällen sah sich der Stuhl der Begnadigung derselben Strafe gegenüber wie die Person, die er verteidigte. Vielleicht war das hier der Fall; trotz Siuans unablässigen Anstrengungen, ihre Ausbildung zu beenden, wusste Egwene es nicht.
»Was ich wissen will«, sagte die Graue nach einem Moment und ignorierte die Frau neben ihr, »was habt Ihr mit der Hafenkette gemacht? Wie kann man das ungeschehen machen?«
»Man kann es nicht ungeschehen machen«, erwiderte Egwene. »Ihr müsst wissen, sie ist jetzt Cuendillar. Nicht einmal die Macht kann sie brechen, sondern sie höchstens stärker machen. Ich schätze, Ihr könntet sie verkaufen, falls Ihr genug von der Hafenmauer abreißen könnt, um sie zu entfernen. Falls sich jemand ein so großes Stück Cuendillar leisten kann. Oder es haben wollte.«
Diesmal versuchte niemand, Katerine davon abzuhalten, sie zu schlagen, und das sehr hart. »Haltet den Mund!«, fauchte die Rote.
Das schien ein guter Rat zu sein, wenn sie nicht bewusstlos geprügelt werden wollte. Sie konnte bereits Blut im Mund schmecken. Also blieb Egwene stumm, und Stille senkte sich über die fahrende Kutsche, während alle anderen mit Saidar leuchteten und sich gegenseitig misstrauisch im Auge behielten. Es war unglaublich! Warum hatte Elaida nur Frauen für die nächtliche Mission ausgesucht, die sich offensichtlich verabscheuten? Als Machtdemonstration, einfach weil sie es konnte? Es spielte keine Rolle. Falls Elaida erlaubte, dass sie die Nacht überlebte,
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