Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
dem Arm, um die ganze Nachbarschaft zu erfassen. »Es ist niemand da, was bedeutet, wir können uns nicht verstecken, jedenfalls nicht, solange wir auf der Straße sind.«
»Was würdest du tun, wenn du uns nicht mitschleppen müsstes?«, wollte Stal wissen.
Ich konnte ihr nicht verraten, dass ich im Schatten verschwinden würde, nicht, ohne preiszugeben, was ich war, also gab ich ihr meine zweite Wahl zur Antwort. »Ich würde die Schlotstraße nehmen.« Ich zeigte hinauf zu den Dächern. »Zunächst einmal ist da oben nie viel los. Außerdem herrscht weitgehend Einigkeit, dass wir einander dort nur sehen, wenn wir tatsächlich jemanden treffen wollen. Aber ihr könnt da unmöglich rauf, also müssen wir uns etwas anderes einfallen …«
Ein kurzer Lichtblitz in Verbindung mit einem explosiven Geräusch unterbrach mich. Was zum …
»Stal, du Wahnsinnige!« Das war Hera, die zum nächsten Dach hinaufstarrte – dem einer Gerberei. »Das tut weh, und du hättest dich dabei umbringen können, uns …« Sie verlor sich in einer Reihe übler Verwünschungen und machte sich daran, ihrer Paargefährtin die Wand hinauf zu folgen.
Nun erst wurde mir klar, was Stal getan haben musste. Siehatte den Zauberstab auf den Boden gerichtet und ausgelöst, um sich von dem Rückschlag auf das Dach befördern zu lassen. Ich wollte der Dyade gerade dachwärts folgen, als ich irgendwo hinter mir Gebrüll hörte.
»Seht nur. Da ist einer von ihnen, dort, bei der Gerberei! Packt ihn!«
3
S ollten wir die nächsten paar Stunden überleben, dann würde ich Triss erwürgen, weil er uns in diese Lage gebracht hatte.
»Lauft«, rief ich der Dyade zu. »Geht nach Norden, bis ihr an eine große Straße mit quadratischen Pflastersteinen und ordentlicher Beleuchtung kommt. Dort sucht ihr euch einen Ort, an dem ihr euch eine Weile verstecken könnt. Ich lenke sie ab und stoße später wieder zu euch.«
In diesem Moment bohrte sich der erste Armbrustbolzen gerade einen Fuß von meinem Kopf entfernt in die Wand. Zwischen der Gerberei und dem Nachbarhaus klaffte eine winzige Lücke, ein schmaler, überdachter Gang zwischen den Häusern. Ich huschte hinein und tastete mich durch die pechschwarze Finsternis voran.
Ein weiterer Bolzen folgte mir, aber der Schusswinkel war zu steil. Dem Geräusch nach kam er nicht einmal in meine Nähe. Die Tatsache, dass er nicht von feindseliger Magie begleitet wurde, deutete darauf hin, dass mir die Aufmerksamkeit der Elite zumindest noch eine Weile erspart blieb, was wiederum meine Chancen, die Verfolger abzulenken, ohne dabei selbst zu Tode zu kommen, erheblich verbesserte.
Jeder vorsichtige Schritt, den ich tat, löste die Art von Knirschen und Schmatzen aus, bei dem man einfach dankbar dafür ist, wenn man nicht sehen kann, worauf man tritt, und zugleich gepeinigt davon ist, dass man es trotzdem riechen kann. Überwiegend verfaulte Nahrungsmittel und tote Ratten, wenn ich raten sollte. Ich hatte noch keine zehn Fuß hinter mich gebracht, da spürte ich, wie Triss mich in eine Haut aus Schattenhüllte, ein Gefühl, so angenehm wie der Moment, in dem man an einem sonnigen Sommertag aus der Hitze der Straße in eine kühle Taverne trat.
»Ummanteln?«, fragte er.
»Noch nicht. Wir müssen der Garde etwas bieten, dem sie folgen kann. Aber ich brauche deine Augen.«
»Du hast sie.«
Damit versetzte sich Triss in den traumartigen Zustand, der es mir gestattete, seine Sinne zu nutzen, als wären es meine eigenen, und mein Blickfeld innerhalb meiner unmittelbaren Umgebung auf die vollen 360 Grad des Nichtsehens der Finsterlinge auszuweiten.
Nun konnte ich meine Geschwindigkeit erhöhen, und ich erreichte in flottem Lauftempo das Ende der Gasse, als die Gardisten, die mich verfolgten, gerade den passenden Winkel einnahmen, um weitere Bolzen hinter mir her zu schicken. Sie schossen immer noch weitgehend blind, und der Großteil der Bolzen bohrte sich irgendwo hinter mir in die Wände, aber auch ein blinder Schuss kann tödlich treffen, sollte der Gegner vom Glück gesegnet sein. In der vor mir liegenden Gasse war es heller, also musste ich die Augen schließen, als ich mich ihr näherte. Die Überlagerung der beiden Wahrnehmungen wurde stets dann besonders verwirrend, wenn mein eigenes Sehvermögen zwischen nutzlos und kaum nutzbar hin und her pendelte.
An der Gasse angelangt wandte ich mich nach rechts, fort von der Richtung, die ich ursprünglich eingeschlagen hatte, und legte einen ernsthaft
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