Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
als ein durchschnittlicher Mensch, außerdem muskulös und proportioniert wie das fleischgewordene Ideal dessen, wie ein Athlet aussehen sollte . Ein typisches Exemplar seiner Gattung, wenn die Legenden der Wahrheit entsprachen.
Während ich ihn studierte, beobachtete er mich. Zumindest nahm ich das an. Es war schwer zu erkennen. Durch das Leben unter Steinen waren die Durkoth selbst wie Steine geworden – einen Teil der Stille und der verborgenen Tiefe hatten sie in sich aufgenommen. Seine Augen waren ausdruckslose, weiße Sphären, die sich anscheinend nicht bewegten. Auch schien er nicht zu atmen, allerdings wusste ich, dass das eine Illusion war. Die Durkoth atmeten, wenn auch viel zu langsam, als dass das menschliche Auge es wahrnehmen konnte. Nach einer kurzen Weile – einer sehr kurzen Weile nach Durkothmaßstäben – brach ich das Schweigen.
»Was ist interessant?«
»Du bist nicht, was ich zu fangen erwartet hatte«, antwortete der Durkoth, und wieder fiel mir auf, wie kalt seine Stimme klang. Das Einzige, was sich an ihm regte, wenn er sprach, war sein Mund, und selbst diese Bewegung sah falsch und widernatürlich aus, als hätte Gestein sich entschlossen zu fließen wie Wasser.
»Dann könntet Ihr, da Ihr mich ja offenbar für jemanden anderen gehalten habt, doch so nett sein, mich wieder freizulassen.« Ich befand mich in einer unfassbar schlechten Lage, solange meine Beine in dieser steinernen Umklammerung festsaßen. Wenn ich einem Kampf aus dem Weg gehen konnte, so würde ich es auf jeden Fall tun.
»Vielleicht, aber nicht jetzt, denke ich. Ich kann fühlen, dass du den Kothmerk nicht hast. Und du bist offensichtlich nicht die Dyade. Aber du bist vor den Gardisten geflohen, als sie die Kreatur verfolgt haben. Warum?«
»Vielleicht, weil sie auf mich geschossen haben?« Da ich aber keine Ahnung hatte, ob Durkoth Sarkasmus überhaupt verstehen konnte, fuhr ich sogleich fort: »Ich habe um mein Leben gefürchtet.« Ich überließ das Reden meinem Mund – ich musste den Durkoth beschäftigen, während ich versuchte, ihn dazu zu bringen, mich gehen zu lassen. Ich war ziemlich sicher, dass es hilfreich für mich gewesen wäre, wenn ich wüsste, was ein Kothmerk war, aber da klingelte nichts. »Die Gardisten haben Armbrüste benutzt. Wegzulaufen schien mir die beste Möglichkeit zu sein, sie daran zu hindern, mich umzubringen.«
Der Durkoth antwortete nicht gleich. Vielleicht dachte er erst darüber nach, was ich gesagt hatte, vielleicht hatte er auch ganz einfach vergessen, dass ich existierte. Seine Miene veränderte sich nicht im Mindesten, und ich hatte keine Chance zu erkennen, was in seinem Kopf vorgehen mochte. Es war zum Verrücktwerden. Täuschung und Irreführung waren ein bedeutender Bestandteil der Arbeit einer Klinge. Man muss in der Lage sein, sich nahe an eine Zielperson heranzuschleichen, um sie zu töten. Es ähnelte in vielerlei Hinsicht einem Skip oder einem Schwindel, zu dessen Durchführung man imstande sein musste, physische und mimische Hinweise zu lesen. Hinweise, die dieser Durkoth einfach nicht lieferte.
»Könnten wir die Dinge vielleicht ein bisschen vorantreiben?«, fragte ich, doch der Durkoth reckte die Hand hoch.
»Warte.« Nun ging er in die Knie und berührte den Boden mit den Fingerspitzen. »Jemand kommt.«
Die Steine ließen meine Knie los, doch ehe ich etwas tun konnte, umklammerte der Boden meine Füße und zog mich hinab. Für einen kurzen Moment stand ich auf dem Boden eines Lochs, das gerade groß genug für eine Person war. Dann schlossen sich die Pflastersteine über meinem Kopf, blockierten das Licht und hielten mich unter einem Dach aus Steinen gefangen. Ich reckte die Hände hoch und fing an, an die Unterseite der Straße zu hämmern. Dabei stellte ich fest, dass die Steine sich bewegten. Genauer gesagt, und das erkannte ich einen Moment später, als das Pflaster der Unterseite einer rohen Planke wich, ich bewegte mich.
Nun erklang die Stimme des Durkoth in der Finsternis. »Still«, sagte sie. »Ich werde dich freilassen, wenn unsere Angelegenheit erledigt ist, aber die Gardisten kommen gerade hierher. Warte und sei still, wenn du die Freiheit wiedergewinnen willst.«
»Triss?«, flüsterte ich.
»Einen Moment.« Ich fühlte, wie er von meiner Haut und durch die breiten Ritzen im Boden über mir glitt. »Ja, jetzt kann ich es sehen. Wir sind unter dem Rand der Veranda des Hauses.«
»Ah, gut.« Meine Worte klangen angespannter und
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