Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
kletterte zurück auf die Straße, um mich umzusehen.
Die Straßen waren unheimlich still und dunkel, aber ich konnte keinen Gardisten im Umkreis der zwei Blocks ausmachen, die ich überprüfte, ehe ich wieder auf die Dächer hinaufkletterte. Und, glücklicherweise, bedachte man die widernatürliche Finsternis und die Stille, auch keine ruhelosen Toten. Kaum wieder oben, suchte ich mir eine abgelegene Ecke und ließ meine Deckung fallen, ehe ich den Zugriff auf Triss’ Sinne löste. Dann, sorgsam darauf bedacht, genug Geräusche zu machen, dass Hera auf mich aufmerksam werden musste, machte ich mich auf in die grobe Richtung des Verstecks der Dyade. Unterwegs tat ich, als würde ich die beiden angestrengt suchen.
Ich war auf einem etwas niedriger gelegenen Dach gerade dabei, an ihrem Versteck vorbeizukriechen, als Hera zischte wieeine Katze. Also hielt ich inne und schaute in ihre Richtung hinauf, und sie winkte mit einer Hand über der Dachkante zu mir herab. Ich nickte und sprang über die Lücke zwischen den Dächern an das irdene Regenrohr, das einige Stockwerke weiter unten im Inneren des Hauses verschwand – wahrscheinlich zur Bewässerung eines Küchengartens im Hof. Von hier aus kostete es mich nur noch Sekunden, mich zu Hera hinaufzuziehen.
Wenige Fuß von ihr entfernt legte ich mich flach auf das Dach. Nahe genug, leise mit ihr zu sprechen, weit genug weg, ihr zu zeigen, dass das alles war, was ich wollte. »Stal?«
»Hinter uns, an der Rückwand.« Hera steckte die Zauberstäbe weg, ehe sie mich herbeiwinkte, führte aber mit den Fingern beständig kreisende Bewegungen aus.
»Wie geht es ihr?«
»Übellaunig wie ein Mantikor, der sich selbst in den Hals gestochen hat.« Ihr Lächeln leuchtete in der Dunkelheit, und ich musste erneut an Jax denken. »Was bedeutet, sie ist beinahe schon wieder ganz sie selbst.«
»Das habe ich gehört«, ließ sich Stal vernehmen.
»Das solltest du auch«, konterte Hera. »Zumindest durch meine Ohren. Betrachte es als subtilen Hinweis.«
»Subtil. Ja, genau, so bist du.«
Ich glitt auf dem Dach herum und schob den Kopf um die Ecke, um Stal anzusehen. »Da wir gerade von subtil sprechen. Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, als du dich vorhin auf das Dach geschossen hast?«
Sie ließ die Schultern ein wenig sinken. »Gar nichts. Außerdem hat mich Hera deswegen schon mehr als genug zu Hackfleisch verarbeitet. Ich hatte Schmerzen und wollte einfach irgendwohin, wo ich ungestört zusammenbrechen konnte.« Ihre Stimme wurde noch tiefer. »Das ist unsere erste echte Mission außerhalb von Kodamia. Ich habe eine dumme Entscheidung getroffen. Es tut mir leid.«
»Eine angemessenere Antwort hätte ich mir nicht wünschen können.« Nun ja, ich hätte schon, aber nicht, ohne den Heuchler zu geben. »Nicht, dass ich über die Jahre nicht auch schon genug Dummheiten gemacht hätte.« Triss versetzte mir einen kurzen Klaps auf den Rücken, den ich als herzliche Zustimmung einstufte. »Also, wie wäre es, wenn wir irgendwohin gehen, wo du wirklich eine Weile zusammenbrechen kannst?«
»Ich bin auf jeden Fall dafür.« Hera rieb sich die eigenen Rippen, und mir fiel ein, dass Dyaden angeblich die Schmerzen ihres jeweiligen Gegenstücks spüren konnten.
Stal nickte nur.
»Wo ist dieser Ort?«, fragte die Fusion über Heras Lippen. »Wie sicher bist du, dass uns dort keine Gefahr droht?«
»Kein Ort in Tien ist vollkommen sicher für jemanden, der in das verwickelt ist, was heute Abend im Greifen passiert ist, aber etwas Besseres als meine Reserve werdet ihr nicht finden. Es gibt eine aufgegebene Brauerei, ungefähr eine Viertelmeile von hier. Ich habe einen kleinen Teil des Dachbodens versiegelt. Der einzige Weg, hineinzukommen, führt über einen kaputten alten Schlot.« Ich hatte auch noch eine bessere Reserve, aber die war weiter entfernt, und ich war nicht geneigt, Fremde dorthin mitzunehmen.
»Und was sollte irgendeinen Obdachlosen davon abhalten, sich dort niederzulassen?«, fragte die Fusion.
»Der Schlot endet in einem Keramikrohr, nicht viel dicker als Euer Arm.«
»Und wie kommst du dann rein?«
»Da unten ist ein Riegel«, erklärte ich eine halbe Stunde später, als ich den Arm in das Rohr des Schlots steckte.
Außer Sichtweite der Dyade glitt Triss den Schlot noch dreiFuß weiter hinunter, um den Riegel umzulegen. Dann zog ich den Arm wieder heraus und drehte das Abschlussrohr zur Seite. Die Öffnung, die nun vor uns lag, war schmal und dunkel
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