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Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)

Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)

Titel: Die Klinge von Namara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly McCullough
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unsere Pflicht.«
    Noch vor einem Jahr hätte ich darüber gelacht, wenn er mich an meine Pflicht erinnert hätte, und es wäre ein bitteres, gebrochenes Lachen gewesen. Das Lachen eines Mannes, der so tat, als würde er sich nicht zu Tode trinken, während er mit jedem Tag tiefer in der Flasche versank. Seither hatten sich die Dinge verändert. Meine Göttin war tot, ja. Aber die Gerechtigkeit lebte fort. Das Ideal, das Namara einst personifiziert hatte, hatte den Tod seiner Vorkämpferin überdauert. Ich hatte seine Berührung verspürt wie die Segnung durch einen Geist. Triss hatte recht. Solange noch Hoffnung bestand, Gutes zu bewirken, konnte ich mich meiner Pflicht nicht verschließen.

5
    D u hast gewonnen.« Ich schnellte in eine kauernde Haltung hoch und blickte über den Rand des Wasserturms. »Wir suchen die Dyade.«
    »Das liegt nur daran, dass ich immer recht habe«, sagte Triss und fächerte sich mit einer Schwinge Luft zu.
    »Aber, Triss   …«
    »Ja?«
    »Dir ist schon klar, dass die Möglichkeit besteht, dass die Dyade, die du so magst, in diesem Fall der Übeltäter ist, oder? Und was dann?«
    Er seufzte. »Das Gleiche wie eh und je. Wir tun einfach unsere Pflicht.« Dann glitt er empor und hüllte mich in eine dünne Haut aus Schatten, ehe er sich zu einer Wolke deckender Finsternis ausdehnte, und überließ sein Bewusstsein meiner Obhut.
    Dieses Mal hatte ich mehr Ruhe, um es mir in der vertrauten Haut behaglich zu machen. Nun, da mein Sehvermögen der radikal anderen Wahrnehmung des Finsterlings untergeordnet war, wurden meine anderen Sinne umso wichtiger. Ich nahm mir also jetzt einen Moment Zeit, um mich auf jeden einzelnen davon zu konzentrieren. Hören, Riechen, Tasten, Schmecken, jeder einzelne Sinn hatte seinen Nutzen.
    Das ist eine Disziplin, die die Meister uns im Tempel vom ersten Tage an gelehrt hatten   – sogar noch bevor wir wussten, wer von uns von welchem Finsterling erwählt werden würde   – indem sie uns in den Tiefen unter dem Keller bei völliger Dunkelheit allerlei Tests unterzogen. So hatten sie uns in ein Labyrinth geschickt, in dem sämtliche Hinweise, sämtliche Warnzeichenso angelegt waren, dass wir gezwungen wurden, mit unseren Ohren oder unseren Nasen oder unseren Fingerspitzen zu denken.
    Wusste man erst, wie es funktionierte, so konnte man den Mittelpunkt anhand der Veränderung der Echos der eigenen Schritte finden. Oder man konnte der Spur folgen, die durch Parfümtropfen gelegt worden war. Finger können uns Dinge zeigen, die dem Auge verborgen bleiben, feinste Unterschiede in den Wandoberflächen, die auf verborgene Türen oder Fallen hindeuten. Auch der Geschmackssinn kann nützlich sein, wenn auch nicht ganz so direkt, aber er kann einem verraten, was eine Zielperson isst oder trägt, Dinge, die dazu benutzt werden können, das perfekte Gift zu mischen oder ihr eine Droge unterzujubeln.
    Als ich fertig war, kletterte ich über den Rand des Wasserturms. Dann breitete ich die Schattenflügel aus, sprang ins Leere und segelte dahin. Ungefähr ein Dutzend Herzschläge lang glitt ich über meine Stadt gen Nordwesten in Richtung der Stelle, an der die Dyade auf mich warten sollte. Eigentlich hätte der Flug viel kürzer ausfallen müssen, aber ich verlängerte den Segelsprung, indem ich Nima aus dem Quell meiner Seele schöpfte und dazu benutzte, mich beim Start ein bisschen höher in die Luft zu befördern.
    Das war eine gefährliche Entscheidung, denn sie beinhaltete ein kurzes Aufflackern von Magie, das mich gegenüber jedem, der den Magierblick besaß und zufällig zur rechten Zeit in die rechte Richtung schaute, verraten würde. Umso mehr, da es nicht genug von Triss gab, mich vollständig zu bedecken und mir Flügel zu bieten.
    Aber manchmal kann ich einfach nicht anders. Ich liebe ihn zu sehr, diesen Moment, in dem ich die Fesseln abwerfen kann, die mich an die Erde ketten, und Vogel sein darf. Ganz gleich, dass ich deshalb riskierte, mich vor feindlich gesonnenen Augen zu exponieren. Und dass diese grobe Manipulation der Energien haufenweise Magie verbrauchte. Ich nahm sogar in Kauf, dasses mich als das kennzeichnete, was ich bin oder einmal gewesen bin   – der »Flug« der Klingen spielt eine bedeutende Rolle in den Geschichten, die über uns erzählt werden.
    Manchmal brauchte ich einfach dieses befreiende Gefühl, das nur der Tanz mit dem Himmel hervorzubringen imstande war.
    Allzu schnell landeten meine Füße auf einem Dach, und die Verbindung

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