Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
Weise: Ich komme, weil ich durch die Flucht vor den Streitkräften der Herren von Tien dazu gezwungen wurde. Ich wäre nicht in dein Reich eingedrungen, hätte ich es vermeiden können. Ich möchte nur von hier zur anderen Seite der Bucht, wo ich einen Händler gestohlener Güter aufsuchen muss, der Dinge weiß, die ich erfahren muss.
Kämpfst du für eine gerechte Sache?
Ich stutzte. Tat ich das? Was würde meine Göttin von dem halten, was ich gerade tat, wenn sie mich nun sehen könnte? Wäre sie stolz? Enttäuscht? Erschrocken? Dass ich die Antwort nicht kannte, schmerzte mich. Dass ich sie nicht kennen konnte und niemals kennen würde … dafür gab es keine Worte.
Ich hoffe es. Das war das Beste, was ich tun konnte. Es war das Beste, was ich je würde tun können.
Das Auge blinzelte und richtete sich auf Triss. Dann sprach die machtvolle Geiststimme wieder. Was sagst du, mein kleiner Vetter des Schattens? Ist die Sache gerecht?
Ich konnte Triss Antwort nicht hören, aber wie immer sie auch lautete, der große Drache nickte. Dann soll es so sein.
Seine Nüstern flatterten, und die Lichtfahne zog sich in sie zurück, und wir waren wieder von Dunkelheit umgeben, in der nun nur noch das dumpfe Grün des gigantischen Auges leuchtete. Dieses schwebte noch ein paar Herzschläge lang vor uns, ehe ein Augenlid, so groß wie ein Kriegerschild der Aveni, sich langsam herabsenkte.
Ehe ich darüber nachdenken konnte, was wir als Nächstes tun sollten, entstand aus dem Nichts eine mächtige Strömung und packte uns, zerrte uns einfach so über die Bucht. Hätte ich irgendwelche Zweifel an der Art oder dem Ursprung dieser Strömung gehegt, wären sie einen Augenblick, ehe sie uns aus ihren Fängen entließ, zerstreut worden. Nur für einen Moment sah ich erneut das mächtige grüne Auge, eines von zweien, die scheinbar frei zu beiden Seiten von uns im Wasser hingen, fast, als hätte der Drache uns in seinem Maul getragen. Sie flackerten kurz und lösten sich auf, als der Drache seine sterbliche Gestalt abstreifte, um wieder eins mit dem Wasser zu werden.
Der letzte Rest der Strömung spülte uns an eine ruhige Stelle am Fundament eines der vielen kleinen Landungsstege, die die Bucht sprenkelten, und erstarb. Ich musste kaum einen Schwimmzug tun, um meine Hand auf die untere Sprosse derglitschigen Holzleiter zu legen, die an einem der Stützpfeiler befestigt war. Ich fing an, mich hinaufzuziehen, und alles war bestens, bis mein Kopf die Wasseroberfläche durchstieß.
Als der Wind auf meine magisch verbrannte Haut und mein Ohr traf, fühlte es sich an, als würden feurige Finger über meine Haut gleiten. Und als ich vor Schmerz aufkeuchte, sog ich noch mehr Feuer in meine Kehle und meine Lunge und verlor den Halt auf der Leiter. Das kühle Wasser löschte sogleich das Brennen in meiner Kehle und meiner Brust und besänftigte auch den Schmerz in meinem Gesicht, wenn es ihn auch nicht ganz ausschalten konnte. Hera schwamm zu mir und berührte meine Lippen.
»Dummkopf«, flüsterte sie mir ins Ohr, hörte sich aber eher liebevoll als verärgert an. »Lass mich deinen Atem entzaubern, ehe du das noch einmal versuchst.«
Ich nickte, und sie kam noch näher und legte ihre Lippen auf meine. Der Kuss erschütterte mich, jagte Ranken von etwas, das sich anfühlte wie sanfte, magische Blitze, durch meine Kehle in meine Brust. Es war unbestreitbar schmerzhaft, aber auf keine schlimme Art – eher so wie die Zähne einer Liebesgespielin, die an einer empfindlichen Stelle nagten. Das elektrisierende Gefühl hielt ein paar bittersüße Sekunden an und legte sich dann wieder.
Heras Lippen lösten sich von meinen. Als sie sich zurückzog, war es, als hätte jemand meine Lungen gepackt und würde sie von unten her zusammendrücken wie ein Durstender, der versuchte, die letzten Tropfen aus einem Wasserschlauch zu pressen. Der Druck rollte durch meine Brust hinauf zur Kehle und zwang mich, den Mund zu öffnen, als all das Wasser, das ich geatmet hatte, aus mir herausbrach wie das eine Glas zu viel.
Plötzlich gierte ich nach echter Luft. Wieder legte ich die Hand auf die Leiter und zog mich hinauf und hinaus aus den Fluten. Dieses Mal war ich vorbereitet, als die Luft auf meinversengtes Gesicht traf, und hielt stand. Als ich das obere Ende des Landungsstegs erreicht hatte und mich auf die hölzernen Planken zog, hatte ich mich bereits an den Schmerz gewöhnt. Im Schmugglerhafen gab es kein Licht; es war so dunkel wie im Inneren
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