Die Klinge
mochte er es nicht, dass seine Anwesenheit nicht erwünscht war.
Als Paula den Raum betrat, stockte ihr der Atem. Arbogasts Büro hatte runde Wände, in die vom Boden bis zur Decke reichende Fenster eingelassen waren, und war wie ein Wohnzimmer eingerichtet. Auf dem dicken, grauen Teppichboden standen bequeme Lehnsessel und mehrere
Sofas; zwischen den Fenstern hingen Landschaftsgemälde in vergoldeten Rahmen.
Hinter einem Regency-Schreibtisch saß auf einem mit aufwändigen Schnitzereien verzierten Stuhl ein großer, plump wirkender Mann mit einem runden, hässlichen Gesicht. Paula schätzte ihn auf Mitte sechzig. Der Mann hatte ein massiges Doppelkinn, eisblaue Augen, die aus dicken Fleischwülsten hervorlugten, eine breite Nase und einen schiefen Mund mit feisten Lippen. Sein teurer Anzug war verknittert. Das rechte Auge zuckte, als er aufstand und seine Gäste mit einer dicken, kurzfingrigen Hand hereinwinkte.
»Willkommen in meiner bescheidenen Hütte«, sagte er. »Zwei Mitglieder meiner Familie werden an unserer Besprechung teilnehmen. Die beiden Damen arbeiten an leitenden Positionen in meinem Unternehmen, eine davon wird eines Tages sogar meinen Platz einnehmen. Aber setzen Sie sich doch.« Roman Arbogast kam um den Tisch herum und reichte ihnen die Hand. Paula staunte, wie groß und breitschultrig dieser Mann war, der über eine immense Macht zu verfügen schien. Er wirkte auf sie zwar nicht arrogant, aber ausgesprochen zielstrebig.
Während Tweed und seine Begleiter Platz nahmen, blieb Arbogast mit vor der Brust verschränkten Armen stehen und betrachtete sie interessiert.
»Sie gehören zu den ganz wenigen Menschen, vor denen ich wirklich Respekt habe, Mr. Tweed. Darüber hinaus halte ich Sie für einen äußerst gefährlichen Mann. Das ist übrigens ein Kompliment. Aber warum wollten Sie mich sprechen?«
»Adam Holgate hat für mich gearbeitet, bevor er zu Ihnen kam. Deshalb bin ich es ihm schuldig, dass ich herausfinde, wer ihn so brutal umgebracht hat. Weiß ich erst einmal, warum er sterben musste, weiß ich auch, wer sein Mörder ist.«
»Aha. - Was kann ich Ihnen zu trinken anbieten?«, fragte Arbogast in die Runde.
»Für mich nichts, vielen Dank«, sagte Paula.
»Das ist also Ihre bezaubernde junge Mitarbeiterin, von der man behauptet, sie sei eine geborene Detektivin und nicht so dumm wie die Tölpel von der Polizei, nicht wahr, Mr. Tweed?«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Paula schnell.
»Ich habe da gewisse Informationen. Alle meine bisherigen Erfolge in dieser Welt voller Idioten basieren auf meiner Fähigkeit, immer genau zu wissen, was passiert, was passiert ist und was passieren wird.«
Seine Stimme klang zwar heiser, war aber erstaunlich kräftig und lautstark.
»Worin genau bestand Holgates Aufgabenbereich hier bei Ihnen?«, fragte Tweed.
»Er war beim Sicherheitsdienst. Um es Ihnen gleich zu sagen, ich mochte ihn nicht sonderlich, weil er immer überall herumgeschnüffelt hat, aber Broden hielt große Stücke auf ihn.«
»Was meinen Sie mit ›herumschnüffeln‹?«, fragte Paula lächelnd.
»Er hat sich Akten geholt, die nicht zu seinem Aufgabenbereich gehörten. Außerdem hat er oft an Türen gehorcht und Gespräche belauscht, die ihn nichts angingen. Vielleicht hat man ihn ja exekutiert, weil er zu viel wusste.«
»Exekutiert?« Paula zeigte sich schockiert.
In dem Moment ging die Tür auf, und zwei Frauen kamen nacheinander herein. Newman gingen beim Anblick der ersten die Augen über.
»Darf ich vorstellen: meine Nichte Marienetta«, sagte Arbogast.
Marienetta, die Paula auf Anfang dreißig schätzte, durchquerte mit langen, eleganten Schritten den Raum. Sie war
von umwerfender Schönheit, groß, blond und schlank, mit einem extravaganten Kurzhaarschnitt, der ihre regelmäßigen Gesichtszüge bestens zur Geltung brachte. Paula fielen vor allem die kräftige Nase und die ungleichen Lippen auf, von denen die untere breit und voll, die obere dünn und schmal war. Aber es waren die großen, grünen und durchdringend blickenden Augen, die sie am meisten faszinierten.
Als Marienetta auf Paula zutrat und ihr eine schlanke Hand hinstreckte, verwandelte sich ihr ernster Gesichtsausdruck in ein strahlendes Lächeln. Sie umfasste Paulas Hand etwas länger als üblich.
»Sie haben einen festen Händedruck, Miss Grey«, bemerkte sie anerkennend. »Das lässt auf einen starken Charakter schließen. Ich habe mich auf die Begegnung mit Ihnen gefreut, und ich muss sagen,
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