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Die Klinge

Titel: Die Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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gefestigt. Diesen Charakterzug schien Sophie, die äußerst launenhaft war, nicht von ihm geerbt zu haben. Mal war sie unterschwellig aggressiv, dann wieder von einer überbordenden Lebensfreude erfüllt wie auf der Party zu ihrem Geburtstag.

    Marienetta war brillant, kultiviert, hochintelligent wie ihr Onkel und interessierte sich für Malerei, Bildhauerei und die Verwaltung des riesigen ACTIL-Konzerns. Tweed hatte den Eindruck, dass sie und Paula sich gegenseitig sympathisch waren. Wer weiß, dachte er, vielleicht ist es am Ende eine Frau, die diesen mysteriösen Fall aufklärt.
    Black Jack Diamond. Wie passte der ins Bild? War der Sohn eines reichen Vaters das schwarze Schaf der Familie? Beruflich hatte er es zu etwas gebracht, er besaß eines der beliebtesten Kasinos der Stadt. Wenn es um Frauen ging, schien er unberechenbar zu sein - aber spielte das in diesem Fall eine Rolle, in dem die Opfer zwei Männer waren?
    Tweed fragte sich, ob sie es mit einem Serienmörder zu tun hatten, der sich wahllos seine Opfer suchte, verwarf diese Hypothese aber gleich wieder. Sein Instinkt sagte ihm, dass zwischen den beiden Morden eine Verbindung bestehen musste. Oberflächlich betrachtet, schien das zwar unlogisch zu sein - ein Hausmeister in Maine und ein Sicherheitsexperte in London hatten auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun -, aber Tweed hatte gelernt, seinem Instinkt zu vertrauen.
    Und dann war da Russell Straub. Tweed dachte an den vernichtenden Blick, den ihm der amerikanische Vizepräsident bei Sophies Geburtstagsparty quer über den Tisch zugeworfen hatte. Dieser Mann konnte gefährlich werden, wenn man ihm in die Quere kam. Aber natürlich! Plötzlich richtete Tweed sich kerzengerade auf. Ganz klar: Straub hatte Angst . Aber vor wem? Vor was? Weshalb?
    Über Broden wusste Tweed leider viel zu wenig. Dieser Mann gab sich äußerst zugeknöpft. Was hatte er getan, bevor er die leitende Stelle bei ACTIL angetreten hatte? Das musste Tweed unbedingt herausfinden. Schon vor langer Zeit hatte er festgestellt, dass der Schlüssel zur Lösung eines Falles oft im Charakter eines oder mehrer Menschen
lag. Diese Einsicht hatte schon so manches Mal zu erstaunlichen Ergebnissen geführt.
    Sam Snyder war ebenfalls nur schwer zu durchschauen. Als Reporter war er abgebrüht und mit allen Wassern gewaschen. Aber als er Paulas Turner-Druck bewundert hatte, war er wie ein perfekter Gentleman aufgetreten. Sein Raubvogelgesicht hatte einen sanften Ausdruck angenommen, und seine Stimme hatte ihre Schärfe verloren. Einen Augenblick lang hatte er eine völlig andere Seite seines Charakters enthüllt. Wie komplex die Menschen doch sind, dachte Tweed.
    Hatte er noch irgendeinen Protagonisten in diesem schauerlichen Drama vergessen? Aber ihm wollte beim besten Willen keiner mehr einfallen, und bald darauf versank er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
     
    Als Tweed am nächsten Tag die Treppe hinunterstieg und auf die regennasse Straße trat, kam gerade Mrs. Champion aus ihrem Haus, seine neue Nachbarin. Sie sah nicht nur blendend aus, sondern schien auch noch intelligent zu sein. Soviel er wusste, war sie verwitwet. Jetzt sah sie zu Tweed hinüber und schenkte ihm ein warmes Lächeln.
    »Ist es nicht schade, dass wir einfach nicht die Zeit finden, uns mal in aller Ruhe miteinander zu unterhalten, Mr. Tweed? Über die Welt im Allgemeinen oder über ein etwas weniger trauriges Thema. Ich muss jetzt leider zur Arbeit.«
    »Ja, es ist wirklich jammerschade. Aber vielleicht klappt’s ja, dass wir uns...«
    Er verstummte mitten im Satz, weil er ein freies Taxi herannahen sah. Er trat auf die Straße und hielt es für Mrs. Champion an, die sich dafür mit einem liebenswürdigen Lächeln bei ihm bedankte und dann einstieg. Tweed blieb am Straßenrand stehen und schaute dem davonfahrenden
schwarzen Wagen hinterher. Wäre etwas mehr Zeit gewesen, hätte er Mrs. Champion zum Abendessen eingeladen. Nun aber erspähte er ein zweites freies Taxi, winkte es zu sich heran und bat den Fahrer, ihn in die Park Crescent zu bringen. Mit einem Schlag war alles wieder präsent, woran er vor dem Einschlafen gedacht hatte, und Mrs. Champion war vergessen.
    »Es gibt Ärger«, verkündete Newman, kaum dass Tweed das Büro betreten hatte.
    »Na wunderbar«, sagte Tweed, während ihm Monica aus dem Mantel half. Als er an seinem Schreibtisch saß, warf er Paula einen fragenden Blick zu. »Und, worum geht es dieses Mal?«
    »Professor Saafeld hat angerufen.

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