Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
ihnen zahlenmäßig weit überlegen. Sie bezweifelte nicht, dass die Männer, die Henry Lamb angeheuert hatte, mit großer Freude für Geld töteten. Erst einmal in ihrem Leben hatte sie jemanden getötet, und sie wollte diese Erfahrung nicht wiederholen. Doch es schien kaum möglich, ihre Hände nicht mit Blut zu besudeln.
Ihr war klar, dass die Erben nicht mehr als einen Tag hinter ihnen zurücklagen. Während sie näher kamen, hatte sie zum ersten Mal wirklich Angst und begriff, welcher außergewöhnlichen Gefahr man sich als Mitglied der Klingen aussetzte. Gut möglich, dass sie und Gabriel die Mission nicht überlebten. Sie schüttelte den Kopf und versuchte, sich von der Angst zu befreien, dass sie Gabriel verlieren könnte.
»Du kannst immer noch nach Urga reiten«, sagte Gabriel zu ihr. Sie hatten im Schatten einiger großer Felsen angehalten, die in dieser Gegend hin und wieder auftauchten. Hier gönnten sie sich und den vor Durst und Erschöpfung halb toten Pferden eine kurze Pause. Sie empfand Mitleid mit den armen Tieren, doch sie konnten es sich nicht leisten, sie freizulassen und den Rest der Strecke zu Fuß zurückzulegen.
Thalia saß auf dem steinigen, trockenen Boden, stützte sich mit den Armen auf den Knien ab und blickte müde zu Gabriel auf. Sie nahm die Feldflasche, die er ihr anbot, und obwohl sie am liebsten die ganze Flasche ausgetrunken hätte, gönnte sie sich nur ein paar Schlucke Wasser. Alle Vorräte, nicht nur das Futter für die Pferde, gingen zur Neige.
»Nein«, krächzte sie zurück. »Hör auf, mich zu fragen.« Sie gab ihm die Feldflasche zurück.
Die rote Staubkruste und die trockenen Lippen verwandelten seine markanten Gesichtszüge in einen Bronzekopf. Gabriel hatte nie schöner ausgesehen. Das Kämpfen stand ihm gut zu Gesicht. Schlank, scharf wie eine Machete, zu allem fähig. Er setzte sich neben sie und verschloss die Feldflasche, obwohl er das Wasser selbst kaum angerührt hatte. Er sparte es für sie auf.
»Ich muss das fragen«, sagte er, ohne sich zu entschuldigen.
»Frag mich nicht noch einmal.«
Mit einem bedauernden Lächeln schüttelte er den Kopf. »Du bist verdammt dickköpfig.«
Obwohl sich ihre Knochen bleischwer vor Müdigkeit anfühlten, musste Thalia ebenfalls lächeln. Sie streckte die Hand aus und strich über seine knochige Wange. Selbst vollkommen erschöpft und durstig wie sie war, spürte sie, sobald sie ihn berührte, diesen Sog. Diesen Sog, der sie lockte, ihn noch mehr zu berühren, bis sie nackt waren und nur noch die Lust sie beherrschte. Sie haderte immer noch mit sich, ob sie ihm ihre Liebe gestehen sollte. Es war unmöglich, es ihm hier inmitten der Gefahr zu sagen. Sie fürchtete nicht, dass er vor ihrer Liebe davonliefe, doch ihr Geständnis würde ihn in einer Weise ablenken, die sie sich im Kampf um Leben und Magie nicht erlauben konnten. Sie hoffte, dass sie ihm eines Tages sagen konnte, wie sehr er ihr Herz erfüllte. Und zwar bald. Stattdessen sagte sie nun: »Und du, mein lieber Hauptmann, bist einer der gehorsamsten Männer, denen ich je begegnet bin.«
Er klatschte seine Hand gegen ihre und zog sie an sich, dann fragte er: »Gehorsam oder hörig?«
»Beides.« Sie kicherte, dann seufzte sie. »Was würde ich für ein paar Gallonen Wasser, ein Bad und eine hübsche grüne Wiese geben, auf der wir es uns bequem machen könnten.«
In seinen Augen blitzte Lust auf, und er schlang seine Finger fester um ihre. »Dafür würde ich töten.«
»Vielleicht müssen wir das.« Sie weigerte sich, jetzt daran zu denken. Bei der Vorstellung, was ihnen bevorstand und wer hinter ihnen her war, gefror ihr das Blut in den Adern. »Seltsam«, murmelte sie.
»Was?«
»Dass ich dir nach all der Zeit, nachdem ich die Hoffnung schon aufgegeben hatte, hier begegnet bin.« Sie deutete auf die karge Schönheit der Wüste Gobi, die still vor ihnen lag. Der Wind rauschte und trieb den rötlichen Sand vor sich her. Sie befanden sich tatsächlich und gefühlsmäßig sehr weit von den üppigen Steppen entfernt, in denen sie aufgewachsen war. Sie wussten auch nicht, ob sie schon die Grenze nach China bereits überquert hatten. Grenzen blieben wie so vieles im Leben nicht gleich, sondern änderten sich ohne Vorwarnung oder Grund.
»Das ist nicht seltsam.« Er drückte ihre Handfläche an seine Lippen. »Es ist genau richtig. Für Menschen wie uns.« Plötzlich wirkte sein Blick scharf, und er spannte die Muskeln an. Er stand auf und zog sie mit sich
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