Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
die Verantwortung für die Mission. Die endgültige Entscheidung liegt bei dir.«
»Und du respektierst diese Entscheidung?« Sie sah ihn ungläubig an.
»Du besitzt ein gutes Urteilsvermögen. Das heißt allerdings nicht«, fügte er hinzu und grinste schief, »dass ich nicht versuchen würde, dich von etwas anderem zu überzeugen, solltest du die falsche Entscheidung treffen.«
Thalia verdrehte die Augen. Sie hätte wissen müssen, dass Gabriel, nur weil sie jetzt ein Liebespaar waren, nicht seine militärische Arroganz ablegen würde. »Wenn wir hier nicht bald wegkommen«, sagte sie, »ist das ohnehin egal. Wir verlieren den Vorsprung vor den Erben.«
»Dazu hätte ich vielleicht die eine oder andere Idee«, raunte Gabriel.
Sie hatten das Lager erreicht. Es war alles andere als ein kultiviertes Ail mit Familien und Tieren. Hier gab es nur das Nötigste. Thalia entdeckte weder Frauen noch Kinder. Nur Männer, die sich am Feuer versammelten und die Neuankömmlinge musterten. Ihre Kleidung, eine mongolisch-chinesisch-russische Mischung, hatten sie offenbar den wenigen noch verbliebenen Kaufleuten und Händlern abgenommen, die die alte Seidenstraße passierten. An einem so öden Ort waren nicht Pferde, sondern Kamele die Tiere der Wahl. Anstelle von Gers boten behelfsmäßige Zelte Schutz. Ein hartes Leben in einem harten Klima und unbarmherzige Männer.
Unwillkürlich starrte sie sehnsuchtsvoll auf die Teeschalen, aus denen die Banditen tranken, und bei dem Geruch von geröstetem Fleisch wurde ihr schwindelig. Alle stiegen von ihren Tieren und beäugten sich angespannt. Der Anführer der Banditen trat nach vorn. Er besaß Thalias Größe und eine kräftige Statur, seine Haut war von der Wüstensonne dunkelbraun gebrannt. Seine funkelnden dunklen Augen signalisierten einen scharfen Verstand. Er sprach mit einem Mann in seiner Nähe, der daraufhin rasch davoneilte, um die ihm übertragene Aufgabe zu erledigen. »Wir haben etwas zu essen und zu trinken für euch«, sagte der Banditenführer. »Wir sind zwar Diebe, aber immer noch Mongolen. Es ist schlimmer, einen Gast zu missachten, als ihm seinen Besitz zu stehlen.«
Man drängte sie zum Feuer, wo man ihnen Schalen mit Tee und Fleisch reichte. Gabriel musterte alles skeptisch und ließ Thalia erst trinken und essen, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass einige der Räuber das gleiche Essen und die gleichen Getränke zu sich nahmen. »Ein seltsamer Ehrenkodex ist das«, bemerkte er über den Rand seiner Schale hinweg. Sie beobachteten, wie man ihre Pferde tränkte.
Thalia, die gierig den Tee trank, grunzte zustimmend. Noch nie hatte etwas so wunderbar geschmeckt. Doch nachdem ihr Durst gestillt war, befiel sie Angst. Sie hatten es hier nicht mit freundlichen, offenen und gütigen Nomaden zu tun, sondern mit Räubern. Sie hatte in der Mongolei, die quasi ihr Zuhause darstellte, noch nie mit Männern zu tun gehabt, die ihren Lebensunterhalt mit Überfällen und anderen unangenehmen Beschäftigungen bestritten. Sie konnten zu allem fähig sein.
Sie blickte zu Gabriel, dessen Miene nichts verriet. Thalia beruhigte sich mit dem Gedanken, dass Gabriel in seiner Zeit bei der Armee sicher häufig mit solchen Männern in Kontakt gekommen war. Sie hoffte, dass er einen Plan hatte. Abgesehen davon, dass sie sich mit dem Rubin bei den Banditen freikaufen konnten, wusste Thalia nicht, wie sie hier herauskommen sollten. Catullus Graves hätte zweifellos in Sekundenschnelle aus ein paar Steinen und einem Stück Hammel einen furchterregenden neuen Apparat geschaffen. Bennet Day hätte alle bezaubert, ihnen unzüchtige Geschichten von seinen Eroberungen erzählt und mit ihnen Arkhi getrunken. Doch beide waren nicht da. Wahrscheinlich bastelte Graves gerade in Southampton an einer neuen teuflischen Erfindung. Und Bennett schlich sich zweifellos gerade aus dem Schlafzimmer einer verheirateten Frau. Thalia und Gabriel mussten selbst einen Weg finden, unbeschadet zu entkommen.
Der Anführer der Banditen stand auf der anderen Seite des Feuers und zündete sich eine Pfeife an. Nach ein paar Zügen erklärte er: »Jetzt müsst ihr euch für meine Großzügigkeit revanchieren, indem ihr mir erzählt, was diese Engländer mit ihrer Armee von euch wollen.«
Sie konnten ihm unmöglich die Wahrheit sagen. Zum Glück war keiner der Stammesmänner gewillt, ihre wertvolle Fracht zu verraten. Sie schwiegen, genau wie Thalia.
»Es ist ein Rennen«, erwiderte Gabriel auf
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