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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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den OP.
    »Doktor«, sagte die Schwester.
    Der Dicke nickte teilnahmslos und begann zu anästhetisieren. Seine Wurstfinger spielten am linken Arm des Patienten herum, fanden mühelos die Vene im Bereich der Armbeuge und ließen den intravenösen Katheter hineingleiten. Um den zweiten Arm legte er die Manschette und begann den Blutdruck zu messen.
    »Es war einer, den wir nicht erwarteten«, sagte die Schwester.
    »Könnten verdammt gut ohne ihn auskommen«, sagte der Dicke. Er verabreichte ein muskelentspannendes Mittel sowie eine Schlafdosis Pentothal, dann führte er den Intubator in die Luftröhre des Patienten ein und regulierte die Atmung des Mannes mit dem Druckgerät.
    Der Spitalsarzt kam herein, der große, schlampig aussehende, den Adam auf dem Gang gesehen hatte. Weder der Anästhesist noch die Schwester nahmen seine Anwesenheit zur Kenntnis. Er begann die Operation vorzubereiten, indem er den Bauch mit antiseptischen Mitteln, oben beginnend, abrieb. Adam sah interessiert zu, weil er sehen wollte, wie man es hier machte. Es sah aus, als benützte der Spitalsarzt eine einzige Lösung. In dem Krankenhaus in Georgia mußten sie das Operationsfeld zuerst mit Äther, dann mit Alkohol, dann ein drittes Mal mit Betadin waschen.
    »Bestimmt habt ihr bemerkt, was für ein glattrasierter Mann Mr. Peterson ist«, sagte der Spitalsarzt. »Im Vergleich dazu ist ein Babyarsch ein wahrer Urwald.«
    »Für einen Chirurgen bist du ein ziemlich guter Barbier, Richard«, sagte der Dicke.
    Der mit Richard Angesprochene beendete das Waschen des Bauchs, begann den Patienten mit sterilen Tüchern abzudecken und ließ nur ein dreißig Zentimeter großes Viereck offen.
    Ein Chirurg kam herein. Meomartino, der Fellow der Chirurgie, vermutete Adam, war jedoch nicht sicher, weil niemand grüßte. Ein großer Mann mit einer gebrochenen Habichtnase und einer alten, fast unsichtbaren Narbe auf der Wange, der gähnte, sich streckte und fröstelte. »Ich habe so hübsch geträumt«, sagte er.
    »Wie geht’s unserem perforierten Ulcus? Blutet er?«
    »Ich glaube nicht, Rafe«, sagte der Dicke. »Herzschlag 96 . Atmung 30.«
    »Blutdruck?«
    »110/60.«
    »Also los. Ich wette, da drin schaut’s aus, als hätte man ein Loch mit einer Zigarette hineingebrannt.«
    Adam sah ihn das Skalpell von der Schwester entgegennehmen und auf der rechten Seite den paramedianen Schnitt führen, eine wohlüberlegte Teilung des Fleisches, die zwei Lippen bildete, wo vorher schlaffer Bauch gewesen war. Meomartino schnitt durch die Haut und das fettige gelbe subkutane Gewebe, und Adam bemerkte interessiert, daß der Spitalsarzt die Blutung mit Schwämmen statt Klammern abstoppte, wobei er gleichzeitig den Druck des Schwamms ausnutzte, um die Wundränder so zu spreizen, daß die glänzende graue Hülle der Faszies sichtbar wurde. Das ist verdammt praktisch, dachte Adam; in Georgia war es ihnen nie eingefallen, das zu tun. Zum erstenmal empfand er den Schimmer eines Glücksgefühls: die hier können mir noch was beibringen.
    Meomartino hatte den Schnitt langsam und sorgfältig geführt, jetzt aber durchtrennte er die Faszies schnell und sauber. Um das so gekonnt zu machen, mit einem einzigen sicheren Schnitt, der nicht in den gleich darunterliegenden Rektusmuskel drang, mußte es dieser Mann schon oft und oft gemacht haben. Einen Augenblick lang war er töricht genug, dem Fellow seine leichte Geschicklichkeit übelzunehmen. Er erhob sich halb, um zuzuschauen, aber der Schlampsack von Spitalsarzt bewegte Kopf und Schultern über dem Operationsfeld, und Adam konnte nichts sehen.
    Er lehnte sich im Stuhl zurück, schloß die Augen in der Dunkelheit und sah im Geiste, was der Chirurg unten vermutlich machte: Er würde die Faszies heben, sie mit der scharfen Schneide des Skalpells unterfahren, dann mit dem stumpfen Rand loslösen und damit die Mittellinie, wo die beiden Teile des Rektus aneinandertrafen, bloßlegen. Dann würde er den Muskel hochheben, ihn seitwärts zurückziehen und durch das Bauchfell weiter in den Bauchraum vordringen.
    In den Bauch vordringen. Für jemanden, der sich der allgemeinen Chirurgie widmen wollte, die hauptsächlich aus Bauchoperationen bestand, war das der springende Punkt.
    »Da hätten wir’s, Richard. Hier ist es«, sagte der Chirurg nach einer Weile. Seine Stimme war tief, sein Englisch um eine Spur zu exakt, dachte Adam, so, als hätte er es als Zweitsprache gelernt. »Direkt durch die Hinterwand des Duodenums. Was tun wir

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