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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Silverstone. »Ihr Bein ist kalt, weil das Blut darin nicht so gut zirkuliert, wie es sollte. Wir müssen herausfinden, warum. Wir werden etwas Kontrastmittel in eine Arterie in Ihrer Leistengegend injizieren und dann einige Aufnahmen machen.«
    Mr. Strattons Gesicht färbte sich rot. »So was kann ich nicht ertragen«, sagte er.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Warum saugen Sie es nicht einfach weiter ab, so wie das Dr. Perlman getan hat?«
    »Weil es Dr. Perlman versuchte und es Ihnen nicht gutgetan hat.«
    »Versuchen Sie es weiter.« Langes Schweigen.
    »Wo ist Dr. Perlman?« sagte der Mann. »Ich will mit Dr. Perlman sprechen.«
    »Dr. Perlman ist hier nicht mehr Oberarzt«, sagte Silverstone. »Wie ich höre, ist er jetzt Hauptmann Perlman und auf dem Weg nach Vietnam. Ich bin Dr. Silverstone, der neue Oberarzt.«
    »Ich könnte die Spritzen nicht einmal ertragen, wenn ich in der Handelsmarine wäre«, sagte der Mann. Jemand aus der Gruppe kicherte, Silverstone drehte sich um und starrte den Betreffenden kalt an.
    »Es ist vielleicht komisch, daß ein Kerl meiner Größe Angst vor euch Schweinen hat«, sagte Stratton. »Aber es ist nicht komisch, glaubt mir. Den ersten, der Hand an mich legt, schlag’ ich zu Hackfleisch.«
    Silverstone legte eine Hand leicht, fast geistesabwesend, auf die Brust des Patienten. Sie sahen einander an. In Mr. Strattons Augen standen Tränen.
    Niemand kicherte. Sein Gesicht war, sah Spurgeon staunend, von derselben Angst gezeichnet, die auch das Gesicht der alternden Prostituierten jenseits des Ganges überzogen hatte, ein derart ähnlicher Ausdruck, daß sie seine Schwester hätte sein können.
    Diesmal griff Silverstone nicht nach Papiertüchern.
    »Jetzt hören Sie mir gut zu«, sagte er wie ein Mann, der zu einem verirrten Kind spricht. »Passen Sie gut auf. Sie können es sich nicht leisten, Zeit zu verschwenden. Wenn Sie uns Schwierigkeiten machen – irgendwelche Schwierigkeiten –, Sie zu untersuchen, brauchen wir uns erst gar nicht davor zu fürchten, daß Sie uns zu Hackfleisch machen. Sie werden nicht einmal mehr imstande sein, selbst ein kleines Waisenkind zu Hackfleisch zu machen, mein Bürschchen. Entweder haben Sie dann nur noch ein Bein, oder Sie sind tot. Verstanden?«
    »Schlächter«, flüsterte Mr. Stratton.
    Silverstone drehte sich auf dem Absatz um und ging, gehorsam gefolgt von vierzehn weißgekleideten Schatten.
     
    Sie versammelten sich zur Exituskonferenz im Operationssaal mit den amphitheatralisch ansteigenden Sitzreihen.
    »Was, zum Teufel, ist die Exituskonferenz?« flüsterte Jack Moylan, der neben Spurgeon sitzende Spitalsarzt, nach einem Blick auf das hektographierte Programm des ersten Tages.
    Spurgeon wußte es. Sie hatten auch in New York Exituskonferenzen abgehalten, obwohl er ihnen als Student nicht beiwohnen durfte.
    »Eine Versammlung, in der Ihre Fehler wie ein Bumerang zu Ihnen zurückfliegen«, sagte er.
    Moylan sah ihn verblüfft an.
    »Auch Sie werden es bald, wie alle anderen, das Todeskomitee nennen. Der gesamte chirurgische Stab trifft sich, um die Todesfälle der Station zu überprüfen und zu entscheiden, ob sie zu verhindern gewesen wären – und wenn ja, warum sie nicht verhindert wurden. Es ist eine Methode, um die Ausbildung und Kontrolle der Chirurgen ständig fortzusetzen. Die Frage nach der Verantwortung, um Sie beruflich in Schwung zu halten, eine Art beruflichen Festnagelns.«
    »O Gott«, sagte der andere Spitalsarzt.
    Sie saßen in den ansteigenden Sitzreihen und tranken Kaffee oder Pepsi-Cola aus Pappbechern. Eine Krankenschwester reichte Teller mit Keksen herum. Unten saßen Silverstone und Meomartino an einem kleinen Tisch, auf dem Krankengeschichten aufgestapelt lagen, einander gegenüber. Zu Verwaltungs und Lehrzwecken waren die Hausärzte in zwei Gruppen geteilt, in das Blaue und das Rote Team. Fälle, die das Rote Team betrafen, wurden von Meomartino behandelt, während das Blaue Team von Silverstone beaufsichtigt wurde.
    Neben einem leeren Sitz ganz oben in der ersten Reihe saß der Chefstellvertreter der Chirurgischen Station, Dr. Bester Caesar Kender (»In Schwierigkeiten nicht verzagen, immer Bester Kender fragen«), ein zigarrenkauender ehemaliger Luftwaffenoberst, der sich als Nierenchirurg und Entdecker neuer Transplantationsmethoden einen im ganzen Land berühmten Namen gemacht hatte, und erzählte Dr. Joel Sack, dem Chef der Pathologie, eine saftige Geschichte. Sie waren ein Bild physischer Gegensätze:

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