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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Kender ein großer behaarter Mann mit blühendem Teint, in dessen Rede noch immer der langsame Tonfall seiner Herkunft aus der Kartoffelgegend von Maine mitschwang, Sack hingegen war kahl und fahrig, wie ein nervöses Eichhörnchen.
    Die beiden Chinesen des Stabs, Dr. Lewis Chin, gebürtiger Bostoner und Konsiliarchirurg, und der mondgesichtige Dr. Harry Lee aus Formosa, Facharztanwärter im dritten Jahr, saßen beisammen, und wie zu gegenseitigem Trost auch die beiden Frauen, Dr. Miriam Parkhurst, ebenfalls Konsiliarärztin, und Dr. Helena Manning, ein kühles, selbstsicheres Mädchen, Facharztanwärterin im ersten Jahr.
    Alle erhoben sich, als der Chef der Chirurgie den Saal betrat. Spurgeon verschüttete dabei Cola auf seinen wunderschönen frischen, weißen Anzug.
    Dr. Longwood nickte, und sie setzten sich gehorsam wieder hin.
    »Meine Herren«, sagte er, »ich heiße diejenigen unter Ihnen willkommen, die am Allgemeinen Krankenhaus des Suffolk County neu sind.
    Unser Krankenhaus ist eine vielbeschäftigte städtische Institution, die Ihnen höllisch viel Arbeit bietet und dafür sehr viel von Ihnen verlangt.
    Unsere Maßstäbe sind hoch. Es wird erwartet, daß jeder von Ihnen sein Bestes gibt.
    Die hiermit beginnende Sitzung ist die Exituskonferenz. Sie ist für Ihre berufliche Weiterbildung höchst wichtig. Sowie Sie den Operationssaal verlassen, gehört die chirurgische Arbeit, die Sie dort leisteten, der Vergangenheit an. In dieser Versammlung werden Ihre und meine Versager vorgelegt und von unseren Kollegen eingehend geprüft. Was hier geschieht, ist vielleicht sogar mehr als das, was im Operationssaal geschieht, das nämlich, was letztlich aus Ihnen Chirurgen machen wird.«
    Er nahm eine Handvoll Kekse, setzte sich in die erste Reihe und nickte Meomartino zu. »Sie können anfangen, Doktor.«
    Als der Fellow der Chirurgie die Einzelheiten vorlas, stellte sich heraus, daß der erste Fall eine Routineangelegenheit war, ein Neunundfünfzigjähriger mit fortgeschrittenem Leberkrebs, der zu spät Hilfe gesucht hatte.
    »Vermeidbar oder unvermeidlich?« fragte Dr. Longwood und streifte Keksbrösel von seiner Hose ab. Jeder Dienstältere stimmte für unvermeidlich, und der Chef nickte. »Bei weitem zu spät«, sagte er. »Weist darauf hin, wie notwendig eine Frühdiagnose ist.«
    Der zweite Fall betraf eine Frau, die an Herzversagen gestorben war, während sie in der Abteilung wegen eines gastrischen Leidens behandelt wurde. In der Krankengeschichte stand nichts über eine frühere Herzerkrankung, und die Autopsie hatte ergeben, daß die gastrischen Schäden tatsächlich nicht bösartig gewesen waren. Wieder erklärten alle Chirurgen den Tod für unvermeidlich.
    »Ich stimme zu«, sagte Dr. Longwood, »muß jedoch bemerken, daß wir sie, wenn sie nicht an einer Koronarerkrankung gestorben wäre, falsch behandelt hätten. Sie hätte aufgemacht und untersucht werden sollen. Ein interessanter Artikel in der Lancet vor zwei Monaten hob hervor, daß die Überlebensrate von fünf Jahren für medizinisch behandelte Magentumore – gleichgültig, ob gutartig oder bösartig – zehn Prozent beträgt. Wenn der Patient einer Probeleparatomie unterzogen wird, um herauszufinden, was da drinnen eigentlich vor sich geht, steigt die Überlebensrate von fünf Jahren auf fünfzig bis siebzig Prozent.«
    Wie in der Schule, dachte Spurgeon. Seine Spannung ließ nach, und er begann es zu genießen – nur wie in der Schule.
    Dr. Longwood stellte Dr. Elizabeth Hawkins und Dr. Louis Solomon vor. Spurgeon spürte eine leichte Veränderung in der Atmosphäre, bemerkte, daß sich Dr. Kender, der Nierentransplantationsmann, vorbeugte und nervös etwas in seiner schinkenförmigen Hand schüttelte.
    »Wir freuen uns, daß Dr. Hawkins und Dr. Solomon unserer Einladung gefolgt sind«, sagte Dr. Longwood. »Sie sind Facharztanwärter in der Pädiatrischen Station, wo sie sich zur Zeit dem Ende ihrer Spitalspraxis näherten, als folgender Todesfall eintrat.« Adam Silverstone las die Krankengeschichte der fünfjährigen Beth-Ann Meyer vor, die eine dreißigprozentige Verbrennung der Hautoberfläche erlitten hatte, als sie sich mit kochendem Wasser verbrühte. Nach zwei Hautverpflanzungen in der Kinderabteilung des Krankenhauses hatte sie eines Nachts um drei Uhr gespien, und herausgewürgte Speisereste hatten ihr die Luftröhre verschlossen. Ein Facharztanwärter der Anästhesiologie hatte sechzehn Minuten gebraucht, bis er sich meldete. Als er

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