Die Klinik
guten, klar umrissenen Venensystem war, wie geschaffen für Katheter, und Robinson brachte die Transfusion ohne Schwierigkeiten in Gang.
Jetzt die Intravenöse für 310. Aber wo wurden die Intravenösen aufbewahrt? Er konnte Miss Fultz nicht fragen, überlegte es sich dann aber anders: warum sollte er der alten Hexe erlauben, ihn abzuschrecken?
»Schrank im Hauptgang«, sagte sie, noch immer mit gesenktem Kopf.
Alte Dame, schau mich an, befahl er stumm. Es ist bloß schwarze Haut, die tut deinen Augen nicht weh. Er holte die I. V. Abraham Batson auf 310 war genau das, was Robinson auf 304 erwartet hatte. Ein vertrocknetes Männchen mit haarfeinen Venen und vielen Einstichen, die zeigten, daß es schon andere vergeblich versucht hatten. Es gelang erst nach dem achten Versuch, während das Nadelkissen stöhnte und ihm anklagende Blicke zuwarf, dann endlich konnte Robinson entfliehen.
O Gott, das Inzisionsbesteck.
»Miss Fultz«, sagte er.
Diesmal sah sie ihn an. Er war wütend über die Verachtung in ihren Augen, die von verblichenem Blau waren.
»Wo finde ich ein Inzisionsbesteck?«
»Dritte Tür unten links.«
Er fand es, holte es und traf Silverstone in der Frauenabteilung der Station.
»Gott, ich wollte schon Alarm schlagen lassen«, sagte der Oberarzt.
»Ich habe die meiste Zeit damit verbracht, mich zu verirren.«
»Ich auch.« Zusammen gingen sie auf 308.
Roger Cort hatte Darmkrebs. Wenn man genau hinsah, dachte Spurgeon, konnte man den Engel auf Roger Corts rechter Schulter hocken sehen.
»Haben Sie je eine Inzision gemacht?«
»Nein.«
»Schauen Sie genau zu. Das nächste Mal werden Sie sie allein machen.«
Er sah zu, während Silverstone die Haut über dem Knöchel sterilisierte, Novocain injizierte, dann Handschuhe überstreifte und einen winzigen Einschnitt vor der Innenseite des Knöchels machte, dann zwei Stiche, einen oben, einen unten, die Kanüle einführte und sie mit dem zweiten Stich befestigte. Einige Sekunden später tropfte Glukose in Roger Corts Blutbahn. Wie Silverstone es gemacht hatte, sah es ganz leicht aus. Das werde ich auch fertig bringen, dachte Spurgeon. »Was ist Ihre nächste Nummer?« fragte er.
»Kaffee«, sagte Silverstone, und sie gingen Kaffee trinken.
Die hübsche brünette Schwester schenkte ihnen ein.
»Was halten Sie von unserer Station?« fragte sie.
»An welchem heimlichen Kummer leidet eure Oberschwester?« fragte der Oberarzt. »Sie hat den ganzen Vormittag nichts getan, als mich anzuknurren.«
Das Mädchen lachte. »Oh, sie ist eine legendäre Figur des Krankenhauses. Sie spricht nicht mit den Ärzten, außer wenn sie einen mag, und sie mag sehr wenige Ärzte. Einige der Konsiliarärzte kennen sie schon seit dreißig Jahren, und sie werden immer noch angeknurrt.«
»Welch ein Vermächtnis«, sagte Silverstone düster. Wenigstens ist es nicht die Farbe, die sie haßt, dachte Spurgeon. Sie haßt jeden. Irgendwie machte ihn der Gedanke froh. Er trank seinen Kaffee aus, verließ Silverstone und wechselte verschiedene Verbände, ohne Miss Fultz fragen zu müssen, wo etwas war. Besser, ich fange an, dieses Haus zu erforschen, dachte er und fragte sich plötzlich, was er täte, wenn jemand einen Herzschlag bekäme. Er wußte nicht, wo der Defibrillator oder der Wiederbelebungsapparat war. Eine Schwester eilte den Gang entlang.
»Können Sie mir sagen, wo das Instrumentarium für akutes Herzversagen aufbewahrt wird?« fragte er.
Sie blieb stehen, als sei sie in eine gläserne Wand hineingelaufen. »Ein akuter Fall?«
»Nein«, sagte er.
»Erwarten Sie einen Notfall, Doktor?«
»Nein.«
»Nun, ich habe eine Frau, die sich die Eingeweide aus dem Leib speit«, sagte sie empört und lief weiter.
»Jawohl, Gnädigste«, sagte er, aber sie war schon fort. Seufzend machte er sich auf die Suche, ein Forscher in einem seltsamen, fremden Land.
Um acht Uhr abends, sechsunddreißig Stunden nach dem Beginn seiner Laufbahn als Spitalsarzt, öffnete Spurgeon die Tür zu seinem Zimmer im sechsten Stock und zuckte zurück, als die Hitze ihm entgegenschlug.
»Hui«, sagte er leise.
Er hatte in der vergangenen Nacht nur wenige Stunden hier geschlafen, da die Spitalsärzte Bereitschaftsdienst hatten, während der Oberarzt nur in einigermaßen ernsten Fällen gestört werden sollte. Acht oder neunmal war er geweckt worden, um Medikamente zu verschreiben, die den Patienten jenen Schlaf bringen würden, der ihrem Spitalsarzt verwehrt war.
Er stellte die
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