Die Klinik
öffnete dann die Tür einen Spaltbreit, während er sich fertig abtrocknete.
»Kann ich meine Kleider haben?«
»Sie waren verschmutzt. Ich habe alles zum Reinigen geschickt, bis auf Ihre Schuhe. Sie kommen bald zurück.«
Er schlang das feuchte Handtuch um seine Lenden und ging hinaus.
»Na also. Jetzt sehen Sie schon besser aus.«
»Entschuldigen Sie, daß ich Ihr Bett benützt habe«, sagte er. »Als Sie mich gestern abend gefunden haben –«
»Nicht«, sagte sie.
Er setzte sich in den Sessel, und dann kam sie auf ihren bloßen Füßen zu ihm. »Entschuldigen Sie sich nicht dafür, daß Sie ein Mann sind, der weinen kann«, sagte sie.
Die Erinnerung überfiel ihn, und er schloß die Augen. Ihre Finger berührten seinen Kopf, er stand auf und legte die Arme fest um sie, fühlte ihre weichen warmen Handflächen und ausgestreckten Finger auf seinem nackten Rücken. Er wußte, daß sie ihn durch das Handtuch hindurch spürte, aber sie trat nicht zurück.
»Meine einzige Absicht war, Sie aus dem Regen hereinzuholen.«
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Sie kennen mich schon gut. Ich glaube, Sie könnten der eine sein. Ich habe so sehr gesucht.«
»Wirklich?« sagte er traurig.
»Sind Sie irgendein Südamerikaner?« fragte sie dann.
»Nein. Kubaner.«
»Warum muß ich immer in Minoritätengruppen geraten!« sagte sie in seine Brust hinein.
»Vielleicht weil Ihr Onkel ein solches Schwein in diesen Dingen ist.«
»Ja, aber seien Sie nett. Bitte, entpuppen Sie sich nicht als garstiges Etwas. Ich könnte es nicht ertragen.« Sie hob das Gesicht, und er mußte den Kopf neigen, um sie auf den Mund zu küssen, der bereits weich war und sich bewegte. Er tastete an ihrem Nacken, um die Knöpfe des zerdrückten Kleides zu öffnen. Als er es schließlich aufgab und sie zurücktrat, um es selbst zu tun, rutschte das Handtuch an ihm hinunter, und ihre Kleidungsstücke fielen eines nach dem anderen daneben auf den blauen Teppich. Ihre Brüste waren klein, aber schon Jahre jenseits des Knospenstadiums, ja, sie waren leicht überreif, mit Warzen wie Fingerspitzen. Sie trug sonnenbraune Strümpfe an ihren hübschen, molligen, muskulösen Beinen – Tennisspielerin? –, deren volle Schenkel wie ein Begrüßungskomitee bereit waren.
Einige Augenblicke später mußte er zu seinem Entsetzen feststellen, daß es genauso war wie am Abend vorher, als er halb verhungert eine Mahlzeit bestellt und sich dann außerstande gesehen hatte, sie zu essen.
»Mach dir nichts draus«, sagte sie schließlich und drückte ihn sanft nach hinten, bis er rücklings mit geschlossenen Augen auf der Matratze lag; die Sprungfedern seufzten, als sie aufstand.
Sie war eine sehr erfahrene Frau.
Als er nach ganz kurzer Zeit die Augen öffnete, stand ihr Gesicht dicht vor seinem und verdeckte die ganze Welt für ihn, ein sehr ernstes Gesicht, wie das eines kleinen Mädchens, das in ein Problem versunken ist; dort, wo sich die Nasenflügel an der grausam gebogenen Nase weiteten, begann Schweiß zu schimmern, die grauen Augen waren sehr groß, die Iris flammender Jett, die Pupillen warm und feucht, allumfassend; die Augen wurden größer und größer, bohrten sich in seine und sogen seinen Blick an, bis er es zuließ, daß der seine in sie hineinglitt, tief, tief, mit einer Zärtlichkeit, die seltsam und neu war. Vielleicht, Gott, dachte er flüchtig, ein eigenartiger Augenblick, um religiös zu werden.
Monate später, als sie zum erstenmal jenen Morgen in Worte zu fassen und zu erörtern vermochten – es war lange bevor sie wieder rastlos geworden war und er begonnen hatte, ihre Liebe wie Sand zwischen seinen Fingern verrieseln zu spüren –, erzählte sie ihm, daß sie sich ihrer Erfahrenheit geschämt hatte und traurig gewesen war, ihm nicht das Geschenk der Unschuld machen zu können.
»Wer kann das schon?« hatte er sie gefragt.
Jetzt wurde das stöhnende Geräusch der in den Rohren gefangenen Luft zu einem hohlen Pfeifen. Angewidert gab Meomartino jeden Versuch auf, sich auf die schriftlichen Arbeiten zu konzentrieren, und schob den Stuhl zurück.
In der Tür erschien Peggy Weld mit geröteten Augen und das Gesicht von allem Make-up reingewaschen. Ihr Maskara muß zerflossen sein, sagte er sich.
»Wann wollen Sie meine Niere herausnehmen?«
»Ich weiß es nicht genau. Es sind viele Vorbereitungsarbeiten zu machen. Tests und solche Dinge.«
»Wollen Sie, daß ich ins Krankenhaus ziehe?«
»Wenn es soweit ist, ja, aber noch nicht
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