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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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»Würde sie einer, den wir an seine Stelle setzen, anders behandeln? Niemals«, beantworte er seine eigene Frage. Zu seinem Verdruß merkte er, daß er zitterte.
    Guillermo wartete, bis er ausgesprochen hatte.
    »In unserer Bewegung sind nur wenige Zuckerleute. Darunter sind einige der Besten«, sagte er, als spräche er zu einem Kind.
    »Vielleicht sind sie alle Patrioten. Selbst wenn sie es sind, sind ihre Gründe zweifellos genauso schlecht wie deine.«
    »Es ist wundervoll, allwissend zu sein, du rückgratloser Hurensohn.«
    Rafael zuckte die Achseln. Guillermo war auf seine Art ein liebevoller Sohn gewesen. Rafe wußte, daß die gedankenlose Beleidigung ihm und nicht ihrer Mutter gegolten hatte. Endlich, dachte er mit einem seltsamen Gefühl der Erleichterung, beschimpfen wir einander laut mit den Bezeichnungen, die wir immer verdrängt haben.
    Dennoch bedauerte Guillermo offensichtlich seine Wortwahl. »Mama«, sagte er.
    »Was ist mit ihr?«
    »Glaubst du, sie kann friedlich in einem Grab ruhen, auf dem Schnee liegt? Sie muß zurückgebracht werden, um in Kubas Erde zu schlafen.«
    »Warum gehst du nicht zum Teufel«, sagte Rafe wütend. Er stand auf, ließ den Rest seines Getränks stehen, ging weg und ließ seinen Bruder sitzen und ins Glas starren.
    Guillermo und Onkel Erneido fuhren am selben Abend zurück, nachdem sie ihm wie Fremde die Hand gegeben hatten.
    Vier Tage später versetzte der letzte Nordostwind des kalten Frühlings New England einen weißen Schlag, indem er von Portland bis Block Island die Küste entlang zwölf Zentimeter hoch Schnee ablud. Am späten Nachmittag nahm Rafe ein Taxi zum Holyhood-Friedhof. Der Sturm war vorbei, aber der Wind blies Schneewirbel hoch, die in den Kragen und in die Ärmel seines Mantels drangen. Auf dem Weg zum Grab stieg ihm Schnee in die Schuhe. Der Hügel war noch immer hoch aufgehäuft; zwischen den gefrorenen Erdklumpen liefen Adern gefangenen Schnees. Er stand da, so lange er konnte, bis seine Nase lief und er seine erstarrten Füße nicht mehr spürte. Als er in sein Zimmer zurückkam, saß er im Finstern am Fenster, wie sie dagesessen war, und sah dem Verkehr zu, der sich weiter über die Arlington Street bewegte. Zweifellos zum Teil dieselben Maschinen; Autos sterben langsamer als Menschen.
     
    Er übersiedelte aus dem Ritz in eine Pension. Jenseits der Halle lebten zwei aalglatte Studenten, vielleicht in Sünde. Einen Stock höher wohnte ein schielendes Mädchen, das er für eine Hure hielt, obwohl es keine Anzeichen dafür gab.
    Er verbrachte den Großteil seiner Freizeit im Krankenhaus, verstärkte seinen Ruf kompetenter Verläßlichkeit und erreichte, daß er im folgenden Jahr für eine fachärztliche Ausbildung ausgewählt wurde, lehnte es jedoch ab, formell dort zu wohnen, weil er sich selbst nicht eingestehen wollte, daß er eine Zuflucht brauchte.
    Der Frühling überfiel ihn unversehens. Er vergaß, sich die Haare schneiden zu lassen; brütete über der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tod und kam dank seiner Intelligenz zu dem Schluß, daß es kein Jenseits gab; er erwog, sich psychotherapeutisch behandeln zu lassen, bis er in einem Artikel Anna Freuds las, daß der einzelne außerhalb der Reichweite des Analytikers steht, wenn er in Trauer um einen Toten oder verliebt ist.
    Die Invasion in der Schweinebucht riß ihn jäh aus seiner Lethargie. Er hörte die Nachricht zuerst über einen Transistorapparat in der Frauenabteilung. Der Bericht klang optimistisch in bezug auf den Erfolg der Invasion, war jedoch skizzenhaft und übermittelte sehr wenige Tatsachen außer der, daß die Landung in der Schweinebucht erfolgt war.
    Rafe erinnerte sich gut an sie, ein Gebiet mit Erholungsorten, wohin ihn seine Eltern manchmal mitgenommen hatten, als er noch klein war. Er und Guillermo hatten jeden Morgen, während die Eltern noch schliefen, am Strand große Haufen Schätze aus dem Meer gesammelt, die abends bereits stanken, und kleine, glatte, weiße Steine wie versteinerte Vogeleier.
    Mit jedem Bericht wurden die Nachrichten schlechter. Er versuchte Guillermo in Miami anzurufen, ohne Erfolg, erreichte jedoch endlich Onkel Erneido.
    »Unmöglich zu sagen, wo er ist. Er ist irgendwo dort. Es scheint sehr schlecht zu stehen. Dieses gottverfluchte Land, von dem wir glaubten, daß es unser Freund sei…«
    Der alte Mann konnte nicht weitersprechen.
    »Laß es mich wissen, sobald du etwas hörst«, sagte Rafe.
    In wenigen Tagen war es möglich, einen Teil des

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