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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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alte Dame dachten angestrengt nach, sagten jedoch nichts.
    »Kork«, sagte er.
    Sie kreischte vor Entzücken. »Was ist der größte Teil eines Pferdes?«
    Über ihren Kopf hinweg tauschten er und der Polizist ein Grinsen wie einen heimlichen brüderlichen Händedruck.
    »Nein, ihr Schmutzfinken! Die Antwort lautet: der Haupt-teil!«
    Senilität? fragte er sich. Sie war munter genug, um bissig zu sein, und protestierte während der ganzen Untersuchung, die nichts Bemerkenswertes ergab.
    Er ordnete Schädelaufnahmen an und studierte eben das feuchte Röntgenbild, als ihr Sohn eintraf. Arthur Donnelly hatte ein fleischiges Gesicht und war sichtlich besorgt.
    »Ist sie in Ordnung?«
    Die Filme zeigten keine Schädelfrakturen. »Anscheinend ja. Aber ich halte es für unklug, sie in ihrem Alter noch selbst fahren zu lassen.«
    »Ich weiß, ich weiß. Aber es ist ihr größtes Vergnügen. Seit dem Tod meines Vaters ist es ihre einzige Freude, mit dem Wagen Freundinnen zu besuchen. Sie spielen Bridge zu dritt und genehmigen sich vielleicht hier und da einen kleinen Schluck.«
    Oder auch zwei, dachte Spurgeon. »Sie scheint ausgezeichnet in Form zu sein«, sagte er. »Aber angesichts der Tatsache, daß sie einundsiebzig ist, behalten wir sie vielleicht über Nacht zur Beobachtung hier.«
    Mrs. Donnelly machte bei dem Vorschlag ein steinernes Gesicht. »Was ist ein Narr?« fragte sie.
    »Ich passe«, sagte er hilflos.
    »Jemand, der nicht verstehen kann, daß ich nach dem, was ich durchgemacht habe, im eigenen Bett schlafen will.«
    »Schauen Sie, wir kennen dieses Haus«, sagte ihr Sohn.
    »Mein Bruder Vinnie – Sie kennen ihn, Vincent X. Donnelly, den Abgeordneten?«
    »Nein«, sagte Spurgeon.
    Donnelly sah verärgert drein. »Nun, er ist einer der Treuhänder des Krankenhauses, und ich weiß, er würde wünschen, daß sie heimgeht.«
    »Wir werden Ihrer Mutter hier alle Pflege angedeihen lassen, Mr. Donnelly«, sagte Spurgeon.
    »Lassen Sie das. Wir kennen dieses Haus. Es ist kein Rosenbeet. Euch fallen genug Menschen zur Last, ohne daß ihr euch auch noch um unsere alte Dame Sorgen machen müßt. Seien Sie nett und lassen Sie sie mich heimnehmen in ihr eigenes Bett. Wir werden Dr. Francis Delahanty rufen, der sie seit dreißig Jahren kennt. Wir stellen sogar Privatschwestern zu ihrer Pflege an. Solange Sie wollen.«
    Spurgeon rief Meomartino an, der ungeduldig zuhörte, während Spurgeon kurz die Befunde umriß.
    »Ich beobachte unter anderem gerade einen Herzstillstand«, sagte Meomartino. »Außerdem brauche ich heute abend unbedingt noch etwas Schlaf. Brauchen Sie mich wirklich?«
    Es war bestenfalls ein stillschweigender Vertrauensbeweis, aber er klammerte sich daran. »Ich kann es selbst erledigen«, sagte er. Er entließ die alte Frau aus dem Krankenhaus und kam sich wie ein richtiger Arzt vor.
    Der Rest der Nacht verlief ruhig. Er machte seine eigenen Nachtvisiten, gab Medikamente aus, wechselte einige Verbände, sagte dem gespenstigen alten Gebäude gute Nacht, es gelang ihm sogar, drei Stunden ununterbrochener Ruhe vor dem Morgen zu erhaschen, und er kehrte am Ende seiner Schicht ins Bett zurück, um bis mittags zu schlafen.
    Auf dem Weg zum Eßsaal der Hausärzte änderte er seinen Entschluß fast mitten in einem Schritt, und ohne erst seine Badesachen zu holen, verließ er das Krankenhaus und fuhr zum Revere-Strand.
    Sonja Cohen war nirgendwo zu sehen, aber das Mädchen lag auf dem Platz, wo er sie zuerst gesehen hatte, und beobachtete ihn, als er mit Sand in seinen Wildlederschuhen auf sie zuging.
    Er meinte etwas zu erkennen – ein kurzes freudiges Aufblitzen in den Augen? –, bevor sie ihn anblickte, als hätte sie ihn noch nie gesehen.
    »Darf ich mich neben Sie setzen?«
    »Nein«, sagte sie.
    Er humpelte mit seinen sandgefüllten Schuhen zu der steinigen Stelle für stumme Verehrer, wo er seine Decke am ersten Tag ausgebreitet hatte. Als er sich niedersetzte, verbrannten ihm die Steine das Fleisch durch den Stoff seiner Hose.
    Er blieb einfach stumm dort sitzen und sah sie an. Die Sonne war sehr heiß.
     
    Das Mädchen versuchte sich zu benehmen, als sei sie allein auf dem Strand, bewegte sich von Zeit zu Zeit mit zielloser Anmut, um ins Wasser zu gehen, schwamm mit einem Vergnügen, das ungeziert und echt zu sein schien, und verließ dann das Wasser, um sich wieder auf der alten U. S.-Navy-Decke niederzulassen.
    Es war einer jener frühherbstlichen Tage, wie sie manchmal direkt aus den Tropen nach

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