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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Politik?«
    »Dorothy, ich bin schwarz«, sagte er. Es war das erstemal, daß er sie bei ihrem Namen nannte; sie schien erfreut, entweder darüber oder über seine Antwort.
    Er begann Sandburgen zu bauen, und sie kniete nieder und grub ein Loch, damit sie feuchten Sand von unten bekämen, dann begann sie selbst mit dem feuchten Sand zu spielen, modellierte ein Gesicht, die Augen auf seine Züge gerichtet, während sie mit langen zarten Fingern den Sand in einer Art streichelte, daß sich seine Knochen in Gelee verwandelten. Sie hatte recht mit ihrem Talent, dachte er, als er das Gesicht im Sand betrachtete, das keine sehr starke Ähnlichkeit mit dem seinen trug.
    Als sie schließlich voll Sand waren, sprang sie plötzlich auf und lief ins Wasser, und er folgte ihr durch die eisige Brise und entdeckte zu seiner Erleichterung, daß das Wasser zum Unterschied von der kalten Luft seine Haut wie warme Seide bedeckte. Sie schwamm direkt ins Meer hinaus, und er plantschte tapfer dahin, um neben ihr zu bleiben. Als er fast aufgeben mußte, kehrte sie um, und sie begannen Wasser zu treten, die Körper nahe beisammen, aber einander nicht berührend. »Sie sind eine tolle Schwimmerin«, keuchte er mit einem stechenden Schmerz in der Brust.
    »Wir wohnen in der Nähe eines Sees. Ich bin sehr viel im Wasser.«
    »Ich habe erst mit sechzehn Jahren schwimmen gelernt, an der Riviera.« Sie glaubte, er scherze. »Nein, ehrlich.«
    »Was haben Sie denn dort gemacht?«
    »Ich habe meinen Vater nie gekannt. Er war Matrose der Handelsmarine, auf Öltankern. Meine Mutter heiratete wieder, als ich zwölf war, einen wunderbaren Menschen. Meinen Onkel Calvin. Als ich nach meinem wirklichen Vater fragte, war alles, was sie mir je erzählten, nur, daß er tot sei. In dem Sommer, als ich sechzehn wurde, beschloß ich, den Versuch zu machen, die Welt so zu sehen, wie er sie gesehen hatte. Jetzt erscheint es dumm, aber vermutlich dachte ich’ irgendwie, daß ich ihn vielleicht finden würde. Zumindest aber verstehen.«
    Sie trat das Wasser mit sehr wenig Bewegung, der weiße Badeanzug war untergetaucht, ihre glatten braunen Schultern über der Oberfläche sahen nackt und lieblich aus. »Es ist nicht dumm«, sagte sie. Auf ihrer Oberlippe über dem vollen rosa Mund lag eine ganz schwache weiße Staubschicht, als das Meerwasser in der Sonne trocknete. Er hätte sie lieber mit seiner Zunge gelöscht, hob jedoch einen nassen Daumen und fuhr ihr sanft über die Lippe.
    »Salz«, erklärte er, als sie zurückzuckte. »Nun, ich konnte keinen Job auf einem Tanker bekommen, was ein Glück für mich war. Aber ich sagte, ich sei achtzehn, und wurde auf der Ile de france als Pianist aufgenommen. Die erste Nacht in Le Havre herrschte dichter Nebel, und ich lungerte einfach nur in den Straßen herum, sah mir alles an, sagte nein zu den Huren und versuchte mir vorzustellen, daß ich älter und zäher sei und eine Frau und einen Babysohn hätte, die auf mich in den Staaten drüben warteten, aber natürlich ging das nicht. Ich konnte es mir nicht vorstellen, wie es für meinen Vater wirklich gewesen war.«
    »Gott. Das ist das Traurigste, das ich je gehört habe.«
    Er beschloß, ihre Traurigkeit auszunutzen, und bewegte sich wie ein ungeschickt werbender Seelöwe, um mit seinem Mund den ihren zu berühren. Sie riß sich los, überlegte es sich dann, legte die Hände auf seine Schultern und für einen kurzen Augenblick die Lippen weich auf die seinen, ein Kuß, der nach Meer schmeckte, ohne Leidenschaft, aber mit sehr viel Zärtlichkeit.
    »Ich kann mich an viel Traurigeres erinnern«, sagte er und griff wieder nach ihr, und sie zeigte ihm ihre schönen Zähne, stemmte beide Füße gegen seine Brust und stieß sich von ihm ab, kein wirklicher Fußtritt, aber es genügte, daß er unterging und Ozean inhalierte, und als er zu husten aufhörte, waren sie einer Meinung, daß es Zeit war, das Wasser zu verlassen.
    Sie schwammen an Land, zitterten vor Kälte, bekamen eine Gänsehaut, und er bot ihr an, sie mit dem Handtuch warm zu reiben, aber sie lehnte ab. Sie lief den Strand entlang, um sich aufzuwärmen, und es war sogar noch schöner als wenn sie ging. Es war zu schnell vorbei, sie kehrten zur Decke zurück, und sie öffnete einen Sack, den er für einen Strickbeutel gehalten hatte, und teilte einen sehr guten Lunch mit ihm. »Aber Sie haben mir noch immer nicht erzählt, wie Sie schwimmen lernten«, sagte sie.
    »Oh.« Er schluckte Thunfischsalat auf Roggenbrot.

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