Die Knickerbocker Bande - 08 - Wo ist der Millionenstorch
Fallschirm lag. Er untersuchte das Bündel und zog ein Messer aus der Tasche. Ein kurzer Schnitt, und die Arbeit war getan. Laut-los zog er die Tür wieder hinter sich ins Schloß.
„Rolf, dann springst du mit dem Mädchen“, rief Günther auf dem Flugplatz. „Nimm am besten meinen Fallschirm, ich pak-ke für mich einen anderen!“
Der Sprung ins Nichts
Lieselotte bereute ihren Entschluß bereits. Der Mut hatte sie verlassen, doch sie wollte das unter keinen Umständen eingestehen.
Also zog sie den Springeroverall an, setzte den Ledersturzhelm auf und ließ sich das Gurtzeug umlegen. Damit sollte sie später an den Bauch des Sprunglehrers geschnallt werden.
Lutz und das Mädchen bestiegen mit den beiden erfahrenen Fallschirmspringern Günther und Rolf die Maschine. Lässig winkten sie Klara und Axel zu.
Kurz darauf raste das Flugzeug über die Rollbahn und erhob sich in die Lüfte.
Lutz spürte, wie elend sich Lilo fühlte. Deshalb beugte er sich zu dem Piloten und rief ihm etwas durch das ohrenbetäubende Getöse des Motors zu. Der Pilot nickte und änderte die Flugrichtung.
Der junge Mann wollte Lilo die Angst vor dem Blick in die Tiefe nehmen und hatte daher um eine Runde über den Neusiedler See gebeten.
„Hast du gewußt, daß der Neusiedler See einmal im Jahr durchwandert wird?“ schrie Lutz.
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
„Ja, er ist nämlich nirgendwo tiefer als l Meter und 80 Zentimeter“, fuhr Lutz fort. „Es ist auch schon einige Male vorgekommen, daß der See total ausgetrocknet ist. Die Menschen haben in diesen Zeiten sogar angefangen, Getreide auf dem Seegrund anzubauen, und man konnte mit Pferdewagen durch das Becken fahren!“
Lilo mußte bei dieser Vorstellung schmunzeln.
„Der Neusiedler See ist der einzige Steppensee in Mitteleuropa“, berichtete Lutz schreiend. „Er hat weder einen Zufluß noch einen Abfluß. In einem Sommer verdunstet praktisch sein gesamter Wasserinhalt. Aufgefüllt wird er ausschließlich durch das Grundwasser. Dieses Wasser ist kurioserweise leicht salzig! Der See ist sozusagen ein Minimeer!“
Lieselotte konnte das alles kaum glauben und lugte in die Tiefe.
Der Plan von Lutz hatte geklappt. Ihre Furcht war etwas kleiner geworden.
Rolf gab Lilo ein Zeichen, zu ihm zu kommen. Er befestigte sich mit Karabinern an den Schultern- und Hüftgurten des Mädchens. Nun hatte Lilo einen Fallschirmspringer samt Fallschirm umgeschnallt. Der große Moment rückte näher.
Im Flugzeug wurde es merklich kühler. Die Absprunghöhe war erreicht.
Rolf schrie Lilo ins Ohr: „Jetzt mußt du dich in die Luke setzen und die Beine nach draußen baumeln lassen!“
Das Mädchen folgte zögernd den Anweisungen und zog sich die Springerbrille über die Augen. Als sie den Kopf leicht vorstreckte, pfiff ihr ein eiskalter Wind ins Gesicht.
Der Sprunglehrer deutete nach unten. „Dort ... die graue Scheibe . das ist unsere Landefläche!“ erklärte er dem Mädchen. „Viel Spaß“, wünschte er ihr noch. Das nächste Kommando lautete dann schon: „Sprung!“
Wie ein Stein rasten die beiden in die Tiefe.
Nur wenige Sekunden später folgten ihnen Lutz und Günther.
„Jetzt erreicht Lilo im freien Fall eine Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern!“ erklärte Axel der Haushälterin. Er hatte nämlich schon viel über Fallschirmspringen gelesen.
Ein kleiner Fallschirm sauste aus Rolfs Rucksack.
„Der Bremsfallschirm“, erläuterte Axel. „Damit die beiden nicht auf 300 Stundenkilometer beschleunigen. Erst in 1500 Metern wird der eigentliche Fallschirm ausgelöst. In wenigen Sekunden müßte es soweit sein!“
Aus dem Rucksack des Sprunglehrers, mit dem Lutz unterwegs war, erhob sich ein Stoffstreifen. An einem riesigen bunten Rechteck schwebten die beiden Springer wie ein Löwenzahnsamen zur Erde.
Lieselotte und Rolf rasten jedoch noch immer dem Boden zu. Axel durchzuckte ein entsetzlicher Gedanke. Er fischte sein Minifernrohr aus der Tasche und richtete es auf Lieselotte. Es dauerte eine Weile, bis er sie im runden Blickfeld hatte.
„Wo bleibt der große Fallschirm?“ fragte Klara Luster tonlos. Axel begann am ganzen Körper zu zittern. Er beobachtete den verzweifelten Kampf des Sprunglehrers.
„Aber er hat doch einen Reserveschirm“, dachte Axel. „Warum benützt er ihn nicht?“
„Axel! Da stimmt etwas nicht!“ kreischte die Haushälterin und schlug die Hände vor das Gesicht. „O mein Gott! Ich kann nicht hinsehen!“
Lilo und ihr Sprunglehrer
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