Die Knickerbocker Bande 39 - Das Biest im Moor
mutig war, die Tür zu öffnen, konnte das eine Katastrophe zur Folge haben.
Der Schatten eilte weiter und stolperte über ein paar Holzprügel, die auf dem Boden lagen.
Das Poltern ließ Axel herumwirbeln. Er stürzte an das Fenster. Mit pochendem Herzen starrte er in die düstere Novemberlandschaft hinaus. Sehen konnte er niemanden.
Die Gestalt, die ihn seit seinem Eintreffen nicht aus den Augen gelassen hatte, stand direkt neben dem Fenster gegen die Hauswand gepreßt und atmete nicht.
„Weg, ich muß weg! Aber wie soll ich einen Weg aus dem Moor finden?“ schoß es Axel durch den Kopf. Der Nebel war undurchdringlich geworden.
Bevor er die Hütte verließ, wollte er unbedingt einen Blick in das Zimmer werfen. Er hatte schon die Hand an der altmodischen, geschmiedeten Klinke, als er auf dem Boden Spuren entdeckte. Er bückte sich, um sie zu begutachten. Es handelte sich um zwei sehr verschiedene Abdrücke. Der Kopf des Jungen war nun genau in der Höhe des Schlüsselloches. Er zog den Schlüssel heraus und spähte durch das Loch in das Zimmer.
Am liebsten hätte er losgebrüllt, aber er kam nicht dazu. Lautlos war jemand von hinten an ihn herangetreten und drückte ihm nun ein Tuch auf Mund und Nase, dem ein vertrauter süßlicher Duft entströmte.
Axel verlor das Bewußtsein.
Lieselotte lag noch immer auf ihrem Bett und starrte auf das Loch über ihrem Kopf. Das Superhirn konnte mehrere Kabel, einige sehr kompliziert wirkende elektronische Teile und kleine Lautsprecher ausnehmen. Das Herzstück der Anlage schien eine Art Glocke aus weißem Porzellan zu sein, um die alle anderen Teile angeordnet waren.
Lilo betastete die Glocke und entdeckte an deren Oberseite vielleicht zwanzig, dreißig oder sogar mehr Kabel, die in das Porzellan führten.
Was war das? Mit der Deckenleuchte hatte das Ding nichts zu tun. Plötzlich spürte Lilo, wie sie eine bisher unbekannte Wut überkam: Wut auf sich selbst, weil sie sich und ihre Freunde in eine höchst gefährliche Lage gebracht hatte; Wut auf die unmenschliche und grausame Schule und Wut über ihre Hilf- und Ratlosigkeit angesichts der Vorgänge in Richardstown.
Sie packte die Porzellanglocke mit beiden Händen und riß daran. Noch mehr Mauerwerk fiel herab; es staubte, und Lilo mußte husten und niesen. Nach einigen Versuchen hielt das geheimnisvolle Gerät ihrem Angriff nicht mehr stand und landete auf ihrem Bett. Kopfschüttelnd beäugte das Mädchen das rätselhafte Ding. Was war das nur?
Der Gong rief zum Essen. Das Superhirn der KnickerbockerBande versteckte die Porzellanglocke unter seiner Bettdecke und klebte ein Blatt Papier über das Loch, damit es jemandem, der das Zimmer betrat, nicht sofort auffiel.
Auf dem Weg zum Speisesaal dachte sie angestrengt nach, was sie unternehmen sollte. Sie konnte mit niemandem über ihre Entdeckung reden - nicht einmal mit Poppi, die völlig verändert erschien. Aber vielleicht war Axel ansprechbar... Hatte er sie nicht am Vormittag angefunkt? Sie wollte gleich nach dem Mittagessen mit ihm in Verbindung treten.
Mindestens zwanzigmal versuchte das Mädchen, Funkkontakt zu bekommen, aber Axel meldete sich nicht. Lilo wollte sogar aus dem Internat schleichen, um dem Jungen vom Garten aus durch einen Geheimpfiff ein Zeichen zu geben. Aber Elisa, die Aufpasserin, ertappte sie dabei und scheuchte sie in ihr Zimmer zurück.
Seltsamerweise war auch Elisa an diesem Tag von außergewöhnlicher Sanftmut und verzichtete auf jegliche Beschimpfung oder Strafaufgabe.
Mit niemandem über das seltsame Ding in der Zimmerdecke reden zu können, war für die Junior-Detektivin freilich die schlimmste Strafe.
Die Dunkelheit der Bewußtlosigkeit zerriß wie Nebelschwaden, in die der Wind gefahren war. Axel schlug die Augen auf. Was war los? Schlief er noch? Er starrte in eine bläuliche, eiskalte Finsternis.
Er brauchte einige Zeit, um festzustellen, daß er tatsächlich das Bewußtsein wiedererlangt hatte. Wo befand er sich aber? Er schien zu liegen. Ja, er lag seitlich auf dem Boden - einem harten und gleichzeitig nassen Boden. Da war auch Gras und... da waren Steine.
Der Knickerbocker wollte sich hochstemmen, stellte aber fest, daß die Schmerzen in seinem Kopf und in seinen Gliedmaßen schlimmer waren als je zuvor.
Axel stützte sich mit dem Ellbogen ab und schaffte es schließlich doch, sich aufzurichten. Er war wieder im Moor. Es war abend: er mußte also mindestens ein paar Stunden betäubt gewesen sein.
Aus der Dunkelheit
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