Die Knickerbocker Bande 41 - Die Hand aus der Tiefe
du dir vorstellen, daß es eine logische Erklärung für die Hand aus der Tiefe gibt? Eine merkwürdige Strömung? Oder vielleicht ein U-Boot?“ fragte sie.
„Wie kommst du denn darauf?“ wollte Jörgen wissen.
„Ich glaube nicht an Geister. Aber ich bin sicher, daß in dieser Bucht irgend etwas... irgend etwas...“, Lilo suchte nach Worten, „irgend etwas Ungewöhnliches vorgeht.“
Der Forscher sah in die Bucht hinunter, und sein Blick wurde wieder wirr.
„Es ist nicht recht, die Ruhe der Toten zu stören!“ murmelte er. Dann schüttelte er den Kopf, um seine dunklen Gedanken zu vertreiben. „Entschuldige, aber das passiert mir häufig! Ich war wohl auch gestern etwas weggetreten. Aber ich kann dich beruhigen: Ich bin vielleicht verwirrt, aber nicht gefährlich!“
Lieselotte schmunzelte. Jörgen war ein schrulliger Typ.
„Die Schwarze Bucht ist kein Platz für junge Mädchen. Du sollst tanzen gehen, dich freuen und Spaß haben!“ lächelte er. „Hier aber soll Ruhe herrschen - Ruhe, für die ich sorgen werde. Das bin ich meinen Vorfahren schuldig. Vielleicht liegt einer meiner Urahnen auf dem Meeresgrund, wer weiß?“
Lilo fand es an der Zeit, den Heimweg anzutreten. Nur zu Hause fühlte sie sich wirklich sicher. Nie hätte sie sich träumen lassen, daß...
Ein merkwürdiger Anruf
Am Abend fuhr Onkel Jens mit dem Auto fort. Er wollte einen Kollegen von der Universität besuchen, der in einem der Nachbarorte sein Sommerhaus hatte. „Ich komme erst spät zurück. Fürchtet ihr euch?“ fragte er die Knickerbocker.
Die vier schüttelten den Kopf. Fürchten? Sie? So ein Blödsinn!
Sie lagen im Wohnzimmer in einer Sofaecke, die sie mit vielen Kissen und Schaffellen kuschelig hergerichtet hatten. Es stand schließlich eine Geheimkonferenz auf der Tagesordnung, und niemand wußte, wie lange sie dauern würde.
Inga begann zu erzählen, was sie im Laden herausgefunden hatte. „Komische Sache“, fing sie an, „Ullas Schwester heißt Britta und ist ungefähr fünf Jahre älter als sie. Vor ziemlich genau einem Jahr ist sie plötzlich ausgerissen, gemeinsam mit einem Jungen aus dem Dorf. Sein Name ist Claus. Die beiden haben ihren Eltern einen Brief hinterlassen, in dem sie ihnen mitteilten, daß sie sich erstens lieben und zweitens frei sein wollen. Sie hielten den Mief hier nicht mehr aus und wollten deshalb nach Amerika auswandern.“
Dominik fand das überhaupt nicht komisch.
„Doch, ist es schon! Niemand, wirklich niemand wußte, daß Britta und Claus ineinander verknallt waren. Alle dachten, die beiden könnten sich nicht ausstehen. An dem Tag, an dem sie verschwunden sind, haben sie einander noch auf der Straße faule Tomaten nachgeworfen“, fuhr Inga fort.
„Sie haben was?“ Axel traute seinen Ohren nicht.
„Sie haben auf dem Markt gestritten, wer die letzte Melone bekommt. Und als Claus sie einfach an sich riß, hat ihn Britta mit faulen Tomaten bombardiert“, erklärte Inga. „Übrigens weiß auch niemand, warum sie ihre Sparguthaben nicht angerührt haben.“
Lilo trug Ingas Bericht in ein kleines Notizbuch ein. Die Geschichte war unglaublich.
Warum hatte die beiden innerhalb von wenigen Stunden die große Liebe erfaßt? Und wie hatten sie ohne Geld auswandern können?
„He, gibt es überhaupt einen Beweis, daß die zwei in den USA angekommen sind?“ wollte Lieselotte wissen. „Vielleicht wurden sie entführt oder... ermordet!“
„Bestimmt nicht!“ erwiderte Inga. „Schon eine Woche nach ihrem Verschwinden haben sie eine Ansichtskarte aus New York geschickt. Es trudeln alle paar Wochen Karten oder Briefe aus Amerika ein. Die zwei leben und scheinen es sehr lustig zu haben.“
Axel verstand nicht, warum Ulla die Fotos verehrte, als wären ihre Schwester und Claus tot.
Poppi war der Fall nicht nur unheimlich, sondern auch völlig unklar. „Was sollten bloß die Blumen und die Kerzen? Sie hat ja zwei angezündet!“
„Als wären Britta und Claus in der Schwarzen Bucht in die Tiefe gezogen worden“, murmelte Dominik.
„Eine höchst undurchsichtige Sache!“ stellte Lieselotte fest. Über den Mann, der sie am Nachmittag fast die Klippen hinunter gestürzt hatte, war bis jetzt nichts in Erfahrung zu bringen gewesen.
Das Schrillen des Telefons riß die vier Junior-Detektive und Inga aus ihren Gedanken.
Poppis Cousine hob ab und meldete sich auf dänisch. Inga war zweisprachig erzogen worden.
Durch die offene Tür konnte man sie im Flur stehen sehen.
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