Die Knickerbocker Bande 41 - Die Hand aus der Tiefe
rutschten ihr die Füße weg und schnellten über den Rand des Felsens hinaus. Es ging wahnsinnig schnell und kam auch für den Unbekannten überraschend. Er versuchte, Lieselotte festzuhalten, aber es war zu spät.
Nach etwa einer Stunde verabschiedete sich Axel von Ulla. Herzlich bedankte er sich für ihre freundliche Hilfe. „Wäre cool, wenn wir uns wiedersehen. Gibt’s hier so was wie eine Disco? Wird beim Wikingerfest auch gerockt?“ fragte er.
Ulla gab keine Antwort. Sie war völlig verändert, seit Axel sich das falsche Bein gerieben hatte. Sie hatte kaum mehr ein Wort gesprochen. Axel war froh, endlich wieder im Freien zu sein.
Er hob das Fahrrad auf und schob es hinkend über den Weg den Hügel hinauf. Erst als Ulla ihn bestimmt nicht mehr beobachten konnte, rief er nach Inga. Das rothaarige Mädchen kam hinter den
Büschen hervor und klopfte sich Moos und Blätter von den Jeans. „Und? Was war?“ wollte sie wissen.
Axel zuckte mit den Schultern und meinte: „Ich bin mir nicht sicher, was das zu bedeuten hat: Ulla hat in ihrem Zimmer ein Bild ihrer großen Schwester hängen. Daneben habe ich das Foto eines Burschen entdeckt. Es ist unscharf und sieht aus, als wäre es stark vergrößert worden. Vielleicht ist es ein Ausschnitt von einem Gruppenbild - von einem Klassenfoto zum Beispiel.“
Inga verstand kein Wort. „Na und?“
„Hinter den Rahmen stecken Blumen!“ erzählte Axel. „Ich habe sofort gedacht, die beiden müssen tot sein.“
Inga zuckte mit den Schultern. Sie hatte keine Ahnung, worauf der Junge hinauswollte.
„Ulla behauptet, ihre große Schwester würde woanders leben. Aber das stimmt sicher nicht. Sie hat seltsam reagiert, als ich sie nach ihr gefragt habe. Kannst du mehr darüber herausfinden?“ Axel blickte Inga neugierig an.
Das Mädchen war geschmeichelt. Die Knickerbocker-Bande war zweifellos auf einen neuen Fall gestoßen, und sie sollte mithelfen. Klasse!
„Im Dorf gibt es einen Laden, in dem man alles bekommt. Die Besitzerin ist eine sprechende Pinnwand“, sagte Inga. „Sie hört alles, sie sieht alles, und sie tratscht für ihr Leben gern. Suchst du ein gebrauchtes Fahrrad, sag es ihr! Bestimmt findet sie jemanden, der eines zu verkaufen hat. Willst du etwas über deine Nachbarn wissen, frag sie! Bestimmt hat sie einiges gehört. Also werde ich noch heute nachmittag ein bißchen einkaufen gehen.“ Axel war sehr gespannt, was Inga dabei in Erfahrung bringen würde.
Der stechende Schmerz in ihrem Rücken war so schlimm, als hätte ihr jemand ein Messer zwischen die Schulterblätter gerammt. Lilos T-Shirt zerriß, und etwas berührte ihren Bauch. Zwei starke Arme umfaßten sie und zogen sie zurück auf die Klippe.
Schritte flüchteten. Eine wütende Männerstimme brüllte etwas.
Das Superhirn blickte auf und sah Jörgen. Er hatte sie im letzten Augenblick vor dem Sturz in den Abgrund gerettet. „Danke!“ stieß sie keuchend hervor. „Wer war das?“
Jörgen zuckte mit den Schultern. Er kannte den Mann nicht.
Lilo setzte sich auf und sah dem davonlaufenden Angreifer nach. Dieser blieb nun stehen, drehte sich um und hob drohend die Faust. Er hatte dunkles, langes, strähniges Haar und einen wilden Bart; seine Kleidung war schmierig.
Der Mann schrie etwas, aber nicht einmal Jörgen verstand ihn. Dann machte sich der Unbekannte endgültig aus dem Staub.
„Wieso bist du eigentlich hier?“ wollte Lieselotte wissen.
„Weil ich einen Spaziergang gemacht habe. Ich wollte gerade ins Haus, als ich diesen Irren mit dir kämpfen gesehen habe“, erwiderte Jörgen.
„Danke!“ sagte Lilo noch einmal.
Jörgen lud sie zu sich ein und bot ihr Kaffee an. Lilo wollte aber nur ein Glas Wasser trinken. Ihr Herz hatte sich noch nicht beruhigt, und sie keuchte wie nach einem 1000-Meter-Lauf.
„Warte hier vor dem Haus! Ich hole dir ein Glas“, meinte Jörgen und zeigte auf einen zerschlissenen Liegestuhl. „Leg dich hin, ruh dich aus! Ich bin gleich wieder da.“
„Ich habe dir die Klamotten in die Küche gelegt“, sagte Lilo. „Kann ich den Pulli gleich wiederhaben?“
Einen Augenblick lang hatte Lieselotte das Gefühl, daß Jörgen wütend werden würde. Er riß Augen und Mund auf, nahm sich aber gleich zusammen und lächelte. „Klar“, antwortete er und verschwand im Haus.
In der Küche pfiff die seltsame Eisenbahnuhr.
Jörgen kehrte mit einem Krug Wasser, zwei Gläsern und dem Sweater zurück. Lieselotte trank den halben Krug leer. „Jörgen, kannst
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