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Die Knochen der Goetter

Die Knochen der Goetter

Titel: Die Knochen der Goetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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mache«, begehrte der Junge auf.
    Suleiman seufzte. »Immer willst du deinen Kopf durchsetzen. Na gut. Du musst das Geheimnis meiner Katzen lernen. Du weißt, dass Mahu sie deswegen von mir will, weil sie schöner sind und ihr Gold von tieferem Rot, als er sie sonst herstellen lassen kann.«
    »Ich weiß, das liegt daran, dass keiner so tüchtige Hände hat wie du! Und an den Pflanzen.«
    Suleiman lachte. »Ja, das stimmt. Die Hände habe ich schon immer gehabt. Aber die Goldfärbekünste habe ich von meinem Vater gelernt. Und du sollst sie von mir erfahren. Um das Gold rot zu färben, geben wir dieses Pulver hinzu.« Er hielt eine Schale mit dem Pflanzenpulver hoch, das er zuvor gemahlen hatte. »Diese Pflanze kenne ich von meinem Vater. Aber die Ägypter kennen ihr Geheimnis nicht. Und deswegen wirst auch du es als Geheimnis bewahren. Ich habe sie hier wiedergefunden. Sie wächst an denselben Stellen wie bei uns zu Hause, und zwar an Wegrändern und auf Mauerresten.«
    Nauri, der die ganze Zeit über an seinem Wachsklumpen weitergearbeitet hatte, sah zum ersten Mal auf.
    »Zu Hause?«, fragte er nun.
    Doch Suleiman schüttelte den Kopf. »Denk nicht einmal daran! Wir kommen nie wieder dorthin zurück. Die Ägypter haben uns besiegt und wir können uns glücklich schätzen, am Leben zu sein.«
    »Aber ich möchte mit dir dorthin, wo wir herkommen. Du hast gesagt, unser Dorf liegt in einem Land weit hinter einem Wasserfall.«
    »Ja«, sagte Suleiman. »Aber jetzt gibt es Wichtigeres. Hör zu!« Er reichte Nauri eine noch nicht zermahlene, getrocknete Pflanze. »Du musst dir diese Pflanze einprägen, damit du sie wiedererkennst. Wenn du eine Stelle gefunden hast, an der sie wächst, lässt du sie dort drei Jahre in Ruhe gedeihen, und kurz vor dem Hochwasser des Nil gräbst du sie aus. Du gräbst sie mitsamt der Wurzel aus. Dann trocknest du sie und zerkleinerst die Wurzel. Zuerst ist sie gelb, aber beim Trocknen wird sie rot. Siehst du das Rot?« Er hielt Nauri die Schale mit dem Pulver dicht unter die Nase.
    Der Junge nickte.
    »Gut. Merke es dir. Es ist fast wie das Rot der Purpurschnecke und kostet doch nichts außer ein wenig Arbeit. Das ist das Geheimnis, wie du Gold rot färben kannst. Bewahre es, Nauri!«
    Suleiman warf die Pflanze in die Schale, stellte diese in eine Nische und deckte sie zu.
    Rufus sah wieder zu Nauri. Der Junge knetete weiter an seinem Wachs. Dann hielt er inne und hob die Arbeit, um sie von allen Seiten zu betrachten.
    Rufus erkannte, dass es eine Figur wurde und dass diese Figur anders war als alles, was er bisher in der Werkstatt gesehen hatte.
    Er trat näher an den Jungen heran.
    Nauris Figur war offenbar ein Tier. Dann wurde Rufus klar, um was es sich handelte. Der Junge modellierte eine Katze. Doch im Unterschied zu den Skulpturen, die sein Vater aus Gold hergestellt hatte, sah diese Katze genauso aus wie eine der Katzen, die Rufus, No und Filine vorher an der Einbalsamierungsstätte gesehen hatten. Ihr Kopf war unregelmäßig, ihre Nase schief und ihre Augen unterschiedlich groß. Dafür sah sie sehr lebendig aus.
    Rufus staunte. So eine lebendig wirkende Katze hätte er selbst niemals aus Wachs formen können. Er hätte sogar Mühe gehabt, sie so vollkommen zu zeichnen.
    Er beugte sich vor.
    »Seht euch das an«, sagte er zu Filine und No. »Diese Figur wirkt wie eine lebendige Katze.«
    In diesem Moment hob Nauri den Kopf, als lausche er. Dann drehte er sich plötzlich zu Rufus und sah ihm direkt in die Augen. Doch trotz der Nähe schien er Rufus nicht zu bemerken. Er sah nur in die Luft vor sich, als hätte er etwas gehört und versuche nun zu ergründen, was das gewesen war.
    Erschrocken hielt Rufus die Luft an. Konnte der Junge ihn vielleicht doch hören?
    »Katze«, sagte Rufus wieder leise.
    Diesmal reagierte Nauri nicht. Er schüttelte nur den Kopf und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
    »Ich möchte trotzdem in das Land hinter dem Wasserfall«, murmelte er.
    Suleiman antwortete etwas, aber Rufus hörte nicht, was Filine übersetzte. Denn genau hinter ihm rief in diesem Moment eine laute Stimme: »Wow! Da ist ja mein Artefakt! Aber wie kommt ihr denn hierher?«
    Erschrocken fuhr Rufus herum.
    Direkt hinter ihm stand Coralia und starrte auf die goldenen Statuen in der Ecke.
    Im nächsten Moment begannen die Werkstatt und die Menschen in ihr zu verblassen.

Flutgesetze
    Filine und No wirkten, als erwachten sie aus einem Traum.
    »Warum zieht sich die Flut zurück?«,

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