Die Knochen der Goetter
Linien betont. Sie trug eine schwarze Perücke und auf ihrer Stirn saß eine einfache, im Nacken gebundene Schleife, die wiederum eine Lotosblüte hielt.
Die Pharaonin jedoch war alt.
Versunken saß sie da und sah einer Bauchtänzerin zu, die sich zu Füßen des Throns im Klang einiger Trommeln und Flöten bewegte.
In diesem Moment betrat Mahu, geführt von dem Wachtposten, den Saal. Die Pharaonin hob die Hand. Augenblicklich hielten die Wachen den Priester zurück.
Ruhig verfolgte die Pharaonin das Ende des Tanzes.
Als die Musik verklungen war, hob Anchetcheprure wieder die Hand. Das Klirren des obersten Armbandes, an dem fünf blaue Kätzchen auf goldenem Grund aufblitzten, durchdrang die Stille.
Jetzt erst wandte sich die Pharaonin Mahu zu.
Gemessenen Schrittes trat der Priester vor den Thron.
Anchetcheprures Stimme war klar und hell.
»Ihr wolltet fort zu dieser späten Stunde?«
»Ja, Göttin.«
»Dorthin vielleicht?«
Anchetcheprure zeigte auf einen Berg goldener Kunstwerke, der hingeworfen in einer Ecke des Saales lag. Mitten darin fand sich die schwarze Schakalmaske, die Mahu im Haus des Todes getragen hatte.
Mahu erbleichte.
»Dorthin«, wiederholte die Pharaonin, »wo diese verbotenen Werke entstanden? Sollten nicht alle diese Götterbilder vernichtet werden?«
»Was die Göttin befiehlt, ist Gesetz«, sagte Mahu leise. »Ich selbst werde für die Vernichtung Sorge tragen, wenn die Königin es weiterhin will.«
»Warum sollte ich es nicht wollen?« Anchetcheprure richtete ihren Blick direkt auf das Gesicht des Priesters. Ihre grünen Augen leuchteten hell. »Denkt Ihr wirklich, ich glaube Euren Worten? Der Nubier Suleiman arbeitet für Euch seit Monaten. Er macht Euch Bastetkatzen. Figuren, die verboten sind. Er macht Euch auch Anubis-Platten, die Ihr den Toten auf die Wunden legt, um den Schnitt in den Körper zu verdecken, obwohl ich Echnatons Verbot der Mumifizierung nicht gelöst habe. Er erfüllt Euch jeden Eurer Wünsche, die ihr Euch in den königlichen Werkstätten nicht anzufertigen lassen wagt, weil Ihr wisst, dass ich den alten Kult nicht billige. Ich gebe zu, Euer Nubier ist ein Künstler von beachtlichem Können. Es sind prachtvolle Werke, er ist ein begnadeter Goldschmied. Aber es ändert nichts daran, dass Ihr mit seiner Kunst alles tut, was verboten ist. Und ihr tut das Verbotene mit meinem Gold, Mahu! Ihr tragt auch die Maske des Anubis im Haus des Todes. Auch das wider mein Gebot. Und das Gebot meines Vaters Echnaton, dem ihr auch schon gedient habt. Warum also, Mahu, sollte ich nicht all das vernichten und Euch gleich dazu? Antwortet mir.«
Mahu legte die Hände zusammen und verbeugte sich tief. »Niemals würde ein Priester wie ich es wagen, die Göttin zu unterweisen, was sie tun soll.«
»Und doch untersteht ihr Euch, Echnatons Erbe vergessen machen zu wollen«, fuhr die Pharaonin auf.
»Ihr befehlt, Göttin«, sagte Mahu jetzt ruhig. »Ihr seid die Pharaonin, Ihr habt dafür zu sorgen, dass das Maat nicht endet.«
»Was ist das denn, das Maat?«, fragte Rufus.
Filine hatte die ganze Zeit übersetzt, was gesagt wurde. Aber weder Rufus noch No hatten dieses seltsame Wort zuvor gehört.
»Das Maat ist der Zustand von Ruhe und Ordnung im Leben, wenn alle friedlich miteinander leben und die alltäglichen Geschäfte in geordneten Bahnen verlaufen«, erklärte Filine hastig. »Und der Pharao muss dafür sorgen, dass es besteht.«
»Du musst mich nicht meiner Aufgaben erinnern, Mahu«, sagte die Pharaonin jetzt streng.
»Aber die alten Götter brauchen Euch«, sagte Mahu leise.
»Ich bin die Göttin, und alle Menschen haben mir zu gehorchen. Und du bist ein Mensch.«
»Ja, Königin«, sagte Mahu. »Und doch hungern die Menschen Eures Reiches, seit die alten Götter verboten wurden. Seit ihnen die Götter genommen wurden, sind Tausende Priester ohne Aufgabe und Lohn. Tausende Gläubige sind ohne Beistand. Es droht eine große Unruhe im Volk. Vielleicht sogar ein Aufstand. Königin, ich weiß es bestimmt. Die Zeit des Aton, den Euer Vater zum alleinigen Gott bestimmte, ist vorbei. Sorgt dafür, dass das Vertrauen zurückkehrt, und die Götter Ägyptens werden es Euch mit dem Frieden des Maat danken.«
Die Pharaonin schwieg. Dann sagte sie: »Steht es so schlimm?«
»Schlimmer«, sagte Mahu. »Die Menschen kommen zu mir. Euch sehen sie nur aus der Ferne. Sie wollen nicht mehr an Echnatons Aton glauben. Sie wollen die bekannten Figuren der Götter für ihre
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