Die Knochenkammer
dem Tod seines Vaters, dass Erik seinen Fuß in dieses Museum setzte. Denken Sie nur, welche Möglichkeiten ihm die Arbeit an der Ausstellung eröffnete! Es war ein Freifahrschein, um hier herumzuwandern und nach allem zu suchen, was er wollte.«
»Und Kirk? Wollte er die Knochen haben?«
»Alles, was damit zusammenhing. Als man die Gräber plünderte, raubte man auch Sachen, die zu der Zeit niemand schätzte. Bronzegüsse, hölzerne Swahili-Grabgedenktafeln, Terrakottatöpfe. Das muss alles hier irgendwo verstaut sein, zusammen mit den Nashörnern und den Elefantenstoßzähnen. Hunderttausende von Dollar wert, gesammelt von Willem van der Poste. Diebesbeute, die man an Museen verkaufen konnte oder zu einem noch höheren Preis auf dem blühenden Schwarzmarkt.«
Wir standen inmitten eines kleinen Vermögens an Knochen.
»Woher wusste Kirk Bescheid?«
»Er hatte in Afrika genug gehört, um zu verstehen, was sein Vater getan hatte. Außerdem hatte er einige der frühen Feldtagebücher seines Vaters geerbt.«
»Die was?«
»Feldtagebücher. Die Berichte über alle Expeditionen und die Hauptbucheinträge, in denen stand, welche Museen die Sachen gekauft oder gelagert hatten. Erik Poste interessierte sich nicht für unser Anliegen, die Sachen zurückzugeben. Er hielt es für törichte politische Korrektheit. Alle Museen haben ihre Leichen im Keller. Vor fünfzig, hundert Jahren herrschten andere Sitten. Aber er wusste, dass Katrina über etwas viel Wertvolleres stolpern würde … gestolpert war.«
»Das Arsen, hat er davon etwas gesagt?«
Sie nickte. »Anfangs hat er sich mir gegenüber verteidigt. Er sagte mir, dass er sie nur krank machen wollte. Krank genug, damit sie nach Südafrika zurückging. Er sagte, dass die kleinen Mengen, die er ihr in die Getränke mischte, wenn sie spät abends hier zusammen gearbeitet haben, sie nie und nimmer umgebracht hätten.«
Dr. Kestenbaum hatte das Gleiche gesagt. Falls die gelegentliche Vergiftung aufgehört hätte, hätte sich Katrina in Südafrika wieder erholt. Sobald der Gerichtsmediziner die toxikologischen Ergebnisse von Katrinas Haarproben erhielt, würde man genau wissen, wann und mit welchen Dosierungen die Vergiftung angefangen hatte.
»Wusste er von der Vergewaltigung?«
»Anna Friedrichs hat ihm davon erzählt.« Sie hatte uns gegenüber darauf bestanden, dass sie das getan hatte, obwohl sich Poste während der Interviews dumm gestellt hatte. »Er hat es ausgenutzt. Ebenso wie den elften September. Alle, auch Katrina selbst, dachten, dass ihre körperlichen Symptome vom Stress wegen der Vergewaltigung und der Terrorangriffe herrührten. Wie jeder von uns machte sie sich Sorgen über weitere Anschläge und die Milzbrandgefahr.«
Jeder von uns erinnerte sich an diese qualvollen Herbsttage.
»Aber sie wollte New York erst verlassen, nachdem sie Hie Eingeborenenknochen wiedergefunden hatte, von denen sie hoffte, dass man sie nach Afrika zurückbringen würde. Poste wollte ihren Abgang nur beschleunigen, ihren Entschluss schwächen.«
»Etwas muss einen Sinneswandel in ihm bewirkt haben.«
»Direkt vor Weihnachten«, sagte sie. »Er dachte, dass ich darauf in dem E-Mail angespielt hätte, das Sie mich verschicken ließen. Deshalb wollte er mich unbedingt sprechen. Als Katrina die Stelle am McGregor Museum in Kimberley angeboten bekam, wusste sie, dass man dort bereits begonnen hatte, die Skelette zu identifizieren, um sie den Eingeborenenstämmen zur Bestattung zurückzugeben. Einer der Kuratoren rief sie an und fragte sie, ob sie etwas über Willem van der Postes Sammlung wüsste und ob sie sie ansehen und Mamdouba bitten könnte, ihr bei der Repatriierung der Gebeine zu helfen.
Der Mann, der sie anrief, hatte in Afrika mit Kirk zu tun gehabt. Er wusste, dass Erik Poste am Met arbeitete. Er schlug vor, dass sie ihn um Hilfe bat, bevor sie bei den Museumsadministratoren vorsprach. Er dachte, Erik würde den Ruf seines Vater aufpolieren wollen.«
»Er lehnte ihr Gesuch erneut ab, hab ich Recht?«
»Ja, aber sie hatte eine andere Idee. Sie holte sich die Hilfe von van der Postes Witwe ein.«
»Eriks Mutter?« Er hatte seine Mutter erwähnt, als er uns erzählt hatte, wie er als Kind nach Amerika gekommen war. Dass sie im Krankenhaus gewesen war und er deshalb ins Internat gemusst hatte. »Sie lebt noch? Wie hat Katrina sie gefunden?«
»Museumsunterlagen. Korrespondenz zwischen ihr und dem Museum nach Willems Tod.«
»Aber sie muss schrecklich krank
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