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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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zweifelt.«
    Aber vielleicht sträubte sich Eve auch einfach gegen den Horror auf dieser Insel. Sie wollte das alles nicht an sich heranlassen. Nicht, wenn Bonnie ein Teil davon war.
    Bonnie, bist du dort?
    Eves Telefon klingelte, als sie gerade dabei war, Montalvos Nummer zu wählen.
    »Woher wissen Sie von meiner Insel, Eve?«, fragte Kistle. »Eigentlich hatte ich vor, Sie Ihnen persönlich zu zeigen, aber ich fürchte, Sie dringen in mein Reich ein. Ich habe Quinn ins Wasser steigen und in meine Richtung schwimmen sehen, und da bin ich runter ans Ufer gegangen, um ihn in Empfang zu nehmen, aber er war verschwunden. Meinen Sie, ein Alligator hat ihn gefressen? Nein, ich würde wetten, dass er es mit einem Alligator aufnehmen kann. Das heißt also, dass er es geschafft hat, an Land zu kommen. Ich frage mich nur, wo er steckt …«
    »Irgendwo hinter Ihnen«, sagte Eve. »Ich will mit Laura Ann sprechen.«
    »Ich fürchte, das geht nicht. Das Spiel hat begonnen, und sie ist kein lebendes Pfand mehr.«
    »Ist sie tot?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht.«
    »Sie müssen es doch wissen, Sie Scheißkerl.«
    »Ich lüge nicht. Das kleine Miststück hat mir mein ganzes schönes Szenario verdorben, sie hat sich verkrümelt. Sie sollte Sie eigentlich in meine Schusslinie locken, aber sie hat’s mir vermasselt. Ich hatte ihr eine Taschenlampe gegeben und sie auf der anderen Insel abgesetzt, damit sie auf Sie wartet. Was für ein Kind verlässt sicheren Boden und eine gemütliche Lampe, um in einen Sumpf zu laufen? Ich habe sie sogar vor den Alligatoren gewarnt, die am nördlichen Ende der Insel nur darauf warten, kleine Mädchen zu fressen.« Gehässig fügte er hinzu: »Ich hoffe, die Viecher haben sie zum Abendessen verspeist.«
    Eve verließ der Mut, als sie an das Licht dachte, das von einem Moment auf den anderen verschwunden war. Sie war schließlich diejenige gewesen, die Laura Ann geraten hatte wegzulaufen, sobald sich eine Möglichkeit bot. Als dem Mädchen klargeworden war, dass sie nur als Köder für eine Falle diente, hatte sie offensichtlich die Gelegenheit zur Flucht beim Schopf ergriffen, obwohl sie sich wahrscheinlich zum ersten Mal, seit ihr Alptraum begonnen hatte, außer Gefahr gefühlt haben musste. »Ich wette, sie wird auch mit einem Alligator fertig«, sagte Eve mit zittriger Stimme. »Immerhin hat sie Sie ausgetrickst, Kistle.«
    »Nur vorübergehend. Wenn die Alligatoren sie nicht fressen, dann habe ich noch Zeit genug, sie wiederzufinden. Wann kommen Sie Ihre Bonnie holen, Eve? Quinn wird versuchen, sich zwischen uns zu stellen. Werden Sie das etwa zulassen?«
    »Nein.«
    »Das habe ich mir gedacht. Wir beide haben schon viel zu lange aufeinander gewartet. Kommen Sie zu mir. Ich werde Sie finden. Aber jetzt muss ich los. Quinn ist mir auf den Fersen.« Er beendete das Gespräch.
    »Joe ist auf der Insel. Kistle hat ihn noch nicht erwischt.«
    Megan reagierte nicht, anscheinend hatte sie Eves Worte gar nicht gehört. Sie war in ihrem eigenen Alptraum gefangen.
    Eve wählte Montalvos Nummer und klärte ihn über den Stand der Dinge auf.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte Montalvo. »Ich bin in knapp fünf Minuten bei Ihnen. Warten Sie auf mich.«
    »Ich kann nicht warten«, sagte sie. »Suchen Sie Laura Ann. Sie ist allein irgendwo da draußen.« Sie legte auf und nahm das Ruder. Joe war es gelungen, zur Insel zu schwimmen, aber wie sollte sie mit dem Boot durch dieses dichte Blattwerk gelangen?
    Hör auf nachzudenken und tu’s einfach.
     
    Laura Ann griff verzweifelt nach der Zypresse, aber sie fand keinen Halt. Mit einem Klatschen fiel sie wieder ins Wasser.
    Ob Kistle sie gehört hatte? War er gekommen, um sie zu fangen? Er hatte es angedroht.
    Sie lauschte.
    Kein Geräusch. Nur die Vögel.
    Und das Zischeln einer Schlange.
    Die Schlange kann mir nichts tun. Die Schlange kann mir nichts tun.
    Panisch versuchte sie noch einmal, auf den Baum zu gelangen.
    Sie fand keinen Halt. Die Rinde des Baums war glitschig vom feuchten Moos und Torf.
    Vor Angst klopfte ihr Herz so heftig, dass sie kaum Luft bekam.
    Versuch es noch mal. Raus aus dem Wasser.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte sie eine Bewegung am Ufer. Etwas Flaches, Dunkles. Etwas Großes.
     
    Eve sprang aus dem Boot und band es an einer schlanken Kiefer am Rand des Ufers fest. Sie hatte eine Bucht gefunden, wo sie an Land gehen konnte, aber es gab nichts, was ihr Deckung bot. Joe hatte ihr sein Gewehr und die Magnum dagelassen. Welches

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