Die Knochenleserin
darüber sprechen. Danielle … Er betrachtet sie als seine Insel. Er sagt, ihr Blut wird den Boden tränken.«
»Halten Sie den Mund.« Joe hielt den Blick auf Eve gerichtet. »Sie sollte nicht hören –«
»Niemand sollte es hören«, erwiderte Megan. »Aber ich tue es, und ich bin nicht hierhergekommen, um durch die Hölle zu gehen und dann hinzunehmen, dass es zu nichts führt.« Sie blickte ihm in die Augen, und ihre Stimme zitterte vor Leidenschaft. »Hören Sie mir jetzt gut zu, Joe Quinn. Ich sage das nur einmal, weil ich nicht weiß, wie lange ich noch in der Lage sein werde, das auszuhalten. Ich kann sie nicht ausblenden. Ich schwöre Ihnen, dass dort zwischen diesen Bäumen eine Insel liegt, auf der Leichen vergraben sind. Falls dort auf der anderen Insel ein Licht gewesen sein sollte, war es eine Falle. Sie haben doch mit einer Falle gerechnet, oder? Also gut, das ist sie.« Ihr versagte die Stimme. »Also sehen Sie zu, dass Sie Kistle und diese Kinder finden, damit wir möglichst schnell von hier verschwinden können, verdammt.«
Er sagte einen Moment lang nichts. »Nur ein Kind, Megan. Laura Ann.«
Sie schüttelte den Kopf. »So viele Kinder. Sie wollen alle nach Hause«, flüsterte sie. »Glauben Sie mir, Joe. Es sind viele Kinder.«
»Joe«, sagte Eve.
Er musterte immer noch Megans Gesicht. Dann nickte er langsam. »Das Licht könnte eine Falle gewesen sein.« Er zog sich die Schuhe aus, während er weitersprach. »Wenn das stimmt, muss Kistle einen Aussichtspunkt haben, von wo aus er die Falle beobachten kann. Diese Insel dort ist ziemlich kahl, man kann sich nirgends verstecken. Also muss ich diese andere Möglichkeit akzeptieren, und das liegt mir im Magen.« Er gab Eve sein Gewehr und seine Magnum, bevor er sich den Gürtel umlegte, an dem seine Machete und das wasserdichte Halfter mit dem .38er befestigt waren.
»Aber ich werde es schlucken.«
»Was hast du vor?«, fragte Eve.
»Ich werde durch diesen Blätterdschungel schwimmen und sehen, ob ich eine Insel finden kann.« Er lächelte verwegen, als er sein Hemd auszog und es auf den Boden des Boots warf. »Und wenn ich eine finde, gehe ich auf die Jagd.«
»Du glaubst doch nicht etwa, ich bleibe hier und lasse dich allein gehen?«, fragte Eve. »Kommt nicht in Frage. Sag mir, was ich tun kann, um zu helfen.«
»Absolut nichts, solange ich nicht weiß, ob es da eine Insel gibt.« Er glitt vom Boot ins Wasser. »Vor allem halte dich von Kistle fern, damit er dich nicht als Geisel gegen mich benutzen kann.« Er stieß sich ab in Richtung der Bäume. »Und kümmere dich um Megan. Sie sieht aus, als ob sie – kümmere dich um sie.«
Eve fluchte leise vor sich hin, während sie sich zu Megan umdrehte. »Er kann es nicht abwarten, endlich auf seine verdammte Jagd zu gehen. Warum sieht er nicht, dass ich –« Sie unterbrach sich. »Großer Gott. Sie sehen ja aus wie zu Stein erstarrt. Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
Megan wünschte, sie wäre aus Stein. Dann würde sie die Stimmen nicht hören können, die sich nicht abstellen ließen. »Sie können den Scheißkerl töten«, sagte sie heiser. »Und dann bringen Sie mich weg von hier, bevor ich völlig zusammenbreche.« Zittrig holte sie tief Luft. »Finden Sie Laura Ann, dann können wir zurück zur Anlegestelle fahren.«
»Um Laura Ann zu finden, muss ich hinter Joe her«, sagte Eve. »Das heißt, ich werde zu der Insel rudern. Glauben Sie, dass Sie das aushalten können?«
Je näher sie der Insel kommen würden, desto lauter und eindringlicher würden die Stimmen werden. »Ich weiß nicht.« Sie schloss die Augen. »Ich habe wohl keine andere Wahl, stimmt’s?«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen die Wahl lassen«, sagte Eve. »Sie brauchen keinen Fuß auf die Insel zu setzen. Sie können im Boot bleiben. Nützt Ihnen das was?«
»Wahrscheinlich nicht.« Megan öffnete die Augen. »Aber ich bin diejenige, die beschlossen hat, Sie in diese Hölle zu begleiten. Ich muss es durchstehen. Was tun wir als Nächstes?«
»Ich werde Montalvo anrufen und ihm sagen, er soll zur Unterstützung herkommen. Dann werde ich warten, bis ich davon ausgehen kann, dass Joe nicht wiederkommt und sich wirklich eine Insel hinter diesen Bäumen verbirgt. Dann werde ich mich an seine Fersen heften.«
»Die Insel ist da.« Megan nahm ihre eigene Stimme durch den Nebel von Stimmen um sie herum nur undeutlich wahr. »Wie merkwürdig, dass Ihr Joe mir geglaubt hat und Sie jetzt diejenige sind, die
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