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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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mehr.
    Verfluchter Mist. Wo war die Taschenlampe? Wo war das verdammte Miststück?
    Er hob sein Fernglas. Keine Lampe. Keine Laura Ann.
    Verdammt, nicht jetzt. Quinn war unterwegs, und er wollte ihn mit dem Licht ablenken.
    Wo zum Teufel steckte die Kleine?
     
    Das Wasser war zwar nicht kalt, dennoch klapperten Laura Anns Zähne. Es war dunkel, und sie konnte nicht sehen, was um sie herum im Wasser war. Alligatoren. Kistle hatte gesagt, die Alligatoren würden sie beißen und ihr weh tun. Sie wollte wieder zurück auf die Insel mit der Lampe, wo sie etwas sehen konnte. Vielleicht hätte sie besser dableiben sollen.
    Aber wenn Kistle wollte, dass sie dort war, dann war es für sie der falsche Ort. Falsch für sie und falsch für Eve. Sie konnte schwimmen, und sie konnte klettern. Wenn es ihr gelänge, eine dieser riesigen Zypressen zu erreichen, die im Sumpf wuchsen, könnte sie vielleicht hochklettern und sich verstecken.
    Ungeheuer.
    Das Wasser zitterte.
    Alligatoren.
    Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie auf die Bäume zuschwamm. Jetzt musste sie ihre Tränen nicht mehr verstecken; sie musste nicht mehr tapfer sein. Er war nicht hier. Es spielte keine Rolle, ob sie jetzt weinte.
     
    Megan brach beinahe zusammen, als der Schmerz in sie fuhr. Die Qualen waren unerträglich. Aber sie musste sie aushalten, denn sie konnte die Stimmen nicht ausblenden.
    Tu mir nicht weh. Tu mir nicht weh. Tu mir nicht weh.
    Ich bin doch ganz brav.
    Ich will zu meiner Mama.
    Schreie.
    Tu mir nicht mehr weh.
    Ich muss mich wehren.
    Ich kann es nicht. Zu spät. Zu spät.
    So viele …
    Nora Jean. Cambry. Paul. Letitia. Eric. Danielle. Monty. Natal »Megan«, flüsterte Eve. »Was ist los?«
    »Zu stark«, schluchzte Megan. »Es sind zu viele. Ich kann sie nicht ausblenden. So viel Schmerz. Einsamkeit. Schmerz. Mama. Sie wollen zu ihren Müttern. Sie wollen nach Hause. Warum hört er nicht auf? Ich kann ihnen nicht helfen. «
    »Ihnen?«, fragte Eve. »Bonnie?«
    »Ich weiß nicht. Es sind zu viele Stimmen. Ich kann sie nicht … auseinanderhalten. Namen, aber nicht alle. Nicht alle.«
    »Was zum Teufel ist denn los?« Joe schaute Megan an. »Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für Schauspielerei –« Er unterbrach sich, als er ihren Gesichtsausdruck wahrnahm. »Mein Gott.«
    »Zu viele«, wiederholte Eve. »Nicht nur ein Grab?«
    Megan schüttelte den Kopf. »Dutzende. Ich weiß nicht … Zu viele.« Sie zitterte. »Und ich kann sie nicht ausblenden. Ich will sie nicht ausblenden. Sie brauchen – aber es tut weh. Es tut so weh.«
    »Laura Ann?«, fragte Eve.
    »Ich kann nicht – ich glaube nicht. Vielleicht kann ich auch die Unterschiede zu wenig heraushören.«
    Mama!
    Schluchzen.
    Das darfst du nicht mit mir machen.
    Bitte, darf ich nach Hause? Ich bin doch ganz brav.
    Schock. Schmerz. Tod.
    »Megan.« Eve nahm ihre Hand. »Wir brauchen Sie. Von wo kommen die Stimmen?«
    Von wo? Sie waren überall um Megan herum, die ganze Welt schien davon erfüllt. Aber Eve brauchte sie. Laura Ann brauchte sie. Sie war vielleicht noch am Leben.
    »Wo?«, wiederholte Eve.
    Megan versuchte sich zusammenzureißen. Sie schüttelte Eves Hand ab und bemühte sich, die Stimmen zum Schweigen zu bringen.
    Lass mich in Ruhe. Nur einen Moment lang. Ich will helfen, aber ich kann es nicht. Hilf mir. Hilf Laura Ann.
    Sie holte tief Luft und zeigte nach links. »Dort. Dort befindet sich eine Insel hinter all den Bäumen und dem Gebüsch.«
    Eve schüttelte den Kopf. »Da hinten rechts ist eine Insel. Dort habe ich das Licht gesehen.«
    Megan schüttelte den Kopf. »Links. Sie sind alle dort … die Kinder. Alle.«
    »Bist du sicher, dass das Licht auf der Insel rechts zu sehen war, Eve?«, fragte Joe. »Diese Insel sieht genauso aus wie die auf dem Foto.«
    Er glaubte ihr nicht, dachte Megan verzweifelt.
    Eve nickte. »Ich bin sicher, dass ich –«
    »Es ist mir egal, wo Sie das Licht gesehen haben«, fuhr Megan sie an. »Das ist nicht seine Insel. Dort sind sie nicht vergraben. Sie liegt dort, in dieser Richtung, verborgen hinter all den Bäumen und Blättern.«
    »Es gibt keinerlei Hinweis auf eine Insel dort«, sagte Joe. »Da gibt es nichts als Sumpfgewächse. Sie erwarten von uns, dass wir uns dort auf die Suche machen, nur weil Sie meinen, dass sich dort eine Insel befindet?«
    Schreie.
    Hilf mir, Mama.
    Sie musste durchhalten. Die Stimmen unter Kontrolle bringen.
    »Seine Insel liegt dort«, sagte sie. »Ich höre ihn mit einem der Kinder

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