Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Montardiers war nur noch eine kleine Gruppe süddeutscher und Schweizer Edelmänner anwesend. Louis und Henri erfuhren von ihren Sitznachbarn, mit wem sie es zu tun hatten.
»Der junge Mann nur wenige Plätze neben dem König ist sein Neffe Johann, Sohn seines verstorbenen Bruders. Es geht das Gerücht, der König hätte den ganzen Vormittag im Streit mit ihm verbracht. Es soll wohl um Johanns Erbe gegangen sein. Der König muss sehr aufgebracht gewesen sein. Seht ihn Euch an, er wirkt erschöpft und belastet.«
Der Mann sprach munter weiter. »Uns gegenüber sitzen einige Edelleute aus der Gegend hier, die mit dem König über Truppentribute und Steuern zu verhandeln haben. Ich kenne die meisten nicht mit Namen. Johanns Begleiter sitzen weiter hinten. Die letzten sind gerade erst eingetreten, seht selbst.« Eine Handvoll Männer hatte am Ende des einen Tafelflügels Platz genommen. Trotz der schlechten Beleuchtung und der Entfernung erkannte Henri den gedrungenen Mann mit der Narbe sofort wieder. Seine Nackenmuskeln verkrampften sich, und er sah aus dem Augenwinkel, wie Louis' Hand wie von selbst an seinen Gürtel fuhr, an dem zur Zierde ein eleganter Dolch baumelte.
»Lass das, Sohn. Unsere Stunde kommt noch«, flüsterte er Louis zu und legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm.
Chalil und Meynhard saßen ihnen genau gegenüber, konnten Bero also nicht ausmachen. Meynhards Diener flüsterteseinem Herrn jedoch etwas zu, was dieser schweigend aufnahm. Chalil widmete seine ganze Aufmerksamkeit Johann, an dem ihm etwas zu missfallen schien. Bero, der vom hinteren Ende des Saales aus seinen Blick über die Anwesenden schweifen ließ, tat, als hätte er Louis und Henri nicht wahrgenommen.
Als die Speisen gereicht und die Pokale zum wiederholten Male gefüllt wurden, traten auf einen Wink eines königlichen Begleiters vier adrett herausgeputzte Pagen vor, die einen großen Korb trugen und in der Mitte des Saals abstellten. Ein zarter Duft nach frischen Blüten erfüllte den Raum, als die Knaben den Deckel des Korbes lüfteten.
»Möge das Reich erblühen wie diese Blumen hier«, sprach der König einen ungewöhnlichen Trinkspruch, während die Jungen jedem Gast einen üppigen Blütenkranz reichten.
»Mit Blumen wollt ihr mich abspeisen?«, brüllte Johann wütend und sprang auf. Mit zwei raschen Schritten stand er nur eine Armeslänge vor seinem Onkel. Zornesröte stand in seinem Gesicht, und die Adern an seinem Hals traten fingerdick hervor. »Hier, nehmt Eure Blumen«, rief er und schleuderte dem König den Kranz ins Gesicht. Seine Hand fuhr an die linke Hüfte, doch wie alle Gäste war er ungegürtet zu dem Mahl erschienen. Blitzschnell sprangen die Begleiter des Königs auf und umringten schützend ihren Herrn. Johann verharrte einen Moment lang stocksteif und starrte Albrecht hasserfüllt ins Angesicht. Der König schien unter dem Blick zusammenzuzucken wie unter einem Peitschenhieb. Schließlich stampfte Johann auf, machte auf dem Absatz kehrt und eilte aus dem Saal. Seine Gefolgsleute sahen einander erschreckt und fragend an, bis sie schließlich ebenfalls aufsprangen und Johann folgten, während der kreidebleiche Albrecht von seiner Leibwache durch eine Tür auf der anderen Seite des Saales in das Arbeitszimmer geführt wurde. Ein Murmeln erhob sich im Raum, das schließlich zu entsetztem Redegetöse anschwoll.
»Das ist wohl das Ende unseres Gastmahls«, sprach Chalil, erhob sich und ging mit Meynhard zu Henri und Louis. »Kommt, es gibt noch jemand anderen, mit dem wir heute feiern können. Ich glaube, man erwartet uns bereits.«
*
Franziska hatte Giso beauftragt, sich um Wagen und Pferde zu kümmern, und wartete mit Katharina in den Räumen, die Meynhard angemietet hatte. Die Kleine war noch ganz aufgeregt von der langen Reise und den vielen neuen Dingen, die sie gesehen hatte.
Heute hatte Franziska ihr noch mehr von Louis erzählt, der durch seinen Mut als junger Mann dem König zu seinem Thron verholfen hatte, von Marie, mit deren Hilfe sie die Schneiderei so erfolgreich aufgebaut hatte, und von den schlauen Ideen Chalils, der ein Vetter des Königs von Ägypten und somit eine sehr wichtige Persönlichkeit war.
Franziska hatte Katharina das hübsche Kleid angezogen, dass sie eigens für den heutigen Tag mitgenommen hatten, und ihr das blonde Haar geflochten. Wie sehr sie Louis ähnelt, dachte sie und unterdrückte ein Seufzen.
Die vergangenen Tage hatte sie ein wenig Angst vor dem
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