Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
ihr Vertrauen zu schenken, auch wenn sie ihn nicht kannte.
»Alannah ist nicht hier«, erklärte sie leise, aber mit fester Stimme.
»Alannah … das ist ihr Name?« Der Alte schien verblüfft.
»So ist es.«
Lange blieb es still.
»Eine weise Wahl«, sagte der Alte dann.
»Ich hatte Angst, sie nach Tirgaslan mitzunehmen, weil ich dort um ihr Leben fürchten musste. Also habe ich sie Freunden übergeben.«
»Freunden? Könnt Ihr ihnen vertrauen?«
»Ich denke ja«, erwiderte sie zögernd.
»Wer ist es?«
»Nun, es …« Aryanwen zögerte, schämte sich fast, es auszusprechen. »Es handelt sich dabei um Orks«, brachte sie schließlich hervor.
»Orks«, echote der Fremde. »Das erklärt manches.«
»Was meint Ihr?«
»Verschlungen und launenhaft sind die Pfade der Unholde«, gab der Alte zur Antwort, »deshalb sind sie nur schwer vorherzusehen. Ihr habt mich getäuscht, Königin – und das ist nicht einfach, denn ich weile schon lange auf dieser Welt und habe schon viel gesehen. Aber wenn Ihr mich täuschen konntet, konntet Ihr womöglich auch die andere Seite täuschen.«
»Die andere Seite?« Aryanwen hob die Brauen. Inzwischen war es so dunkel geworden, dass sie ihr Gegenüber nur noch als verschwommenen Schatten wahrnahm, der sich von der Umgebung kaum noch abhob. »Von wem sprecht Ihr? Von Lavan?«
Der Alte lachte auf. »Lavan ist nur ein Spielzeug, ein Mittel zum Zweck, ebenso wie Winmar, auch wenn sich der beschränkte Geist des kleinen Königs beharrlich weigert, dies zu begreifen. Andere, ungleich dunklere Mächte ziehen im Verborgenen die Fäden, Königin – ihnen darf Euer Kind keinesfalls in die Hände fallen.«
Aryanwens Haare sträubten sich, ihre Hände begannen zu zittern. Plötzlich hatte sie das Gefühl, einen schweren Fehler begangen zu haben … »Warum nicht?«, fragte sie leise. »Von was für Feinden sprecht Ihr?«
»Alles zu seiner Zeit, Königin. Zuerst hat unsere Sorge Eurem Kind zu gelten – wir müssen es finden, um jeden Preis.«
»Wir?«
»Wenn Ihr erlaubt, werde ich Euch begleiten und Euch auf Eurer Suche zur Seite stehen«, bestätigte der Alte.
Aryanwen fühlte Erleichterung. Das Gefühl, dass der Fremde es gut mit ihr meinte und sie ihm tatsächlich vertrauen konnte, gewann nun Oberhand. »Wie ist Euer Name?«, wollte sie wissen.
»Wie ich schon sagte – ich bin alt, entsprechend viele Namen habe ich in meinem Leben getragen.« In diesem Moment begann am oberen Ende des Stabes, den er mit der linken Hand umklammert hielt, ein blaues Licht zu leuchten, das nicht nur die Büsche und Bäume der unmittelbaren Umgebung, sondern auch das Gesicht des Alten jäh aus der Dunkelheit riss.
Aryanwen blickte in ein schmales, faltiges Antlitz, das zum Äußersten entschlossen wirkte und dennoch voller Güte war. Das Augenpaar, das ihr entgegenblickte, schien unendlich viel gesehen zu haben, dennoch wirkte es wach und aufmerksam. Graues Haar umrahmte das von der Kapuze bedeckte Haupt, um das ein aus Schlangenhaut geflochtenes Band verlief. Offenbar war der alte Mann ein Gelehrter, ein Prediger oder Heiler, vielleicht auch ein Druide, wie sie bei den Stämmen des Nordostens anzutreffen waren.
»Einer von ihnen«, fuhr der Alte fort, »lautet Dwethan. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr mich gerne so nennen.«
19
E s war eine böse Überraschung.
Auf einer anderen Brücke, die ein Stück weiter oben verlief, stand eine Patrouille bis an die Zähne bewaffneter Zwerge, die mit langen, seltsam aussehenden Waffen auf die Eindringlinge zielten.
»Hört ihr nicht?«, rief ihr Anführer herab, ein kräftiger Bursche in blitzendem Harnisch. »Ich habe gesagt, ihr sollt die Waffen niederlegen und euch ergeben!«
Dag zögerte. Er wusste, dass die Blicke seiner Gefährten auf ihn gerichtet waren, dass sie eine Entscheidung von ihm erwarteten. Er gab sich nicht der Illusion hin, dass ihm die Flucht aus dem Kerker ein weiteres Mal gelingen würde. Wenn sie sich ergaben, so war ihr Schicksal besiegelt. Sie würden der Willkür von Winmars Folterknechten schutzlos ausgeliefert sein und einen ebenso grausamen wie sinnlosen Tod sterben.
Sie mussten also fliehen – aber wohin? Zurück konnten sie nicht, nur weiter, auf die andere Seite der Brücke und in den Schutz des Stollens, der sich dort anschloss.
»Ferghas?«, fragte Dag leise.
»Aye«, stimmte der Clansmann mit bitterer Entschlossenheit zu und fasste ihn am Oberarm. »Wir sind bereit.«
»Gut«, scholl es von oben, »ihr habt
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