Die Koenigin der Rebellen
Grunde konnten sie froh sein, daß er ihnen erlaubt hatte, ihn zu begleiten, und nicht umgekehrt. Vor der letzten Tür des Ganges blieb Lydia stehen und klopfte. Skudder preßte sich gegen die Wand, während Kent auf der anderen Seite der Tür Aufstellung nahm, um nicht sofort gesehen zu werden. Lydia mußte insgesamt dreimal gegen die Tür klopfen, und auch dann dauerte es noch eine geraume Weile, bis Schritte zu hören waren. Eine ziemlich mißgelaunt klingende Stimme rief etwas, das Charity nicht verstand, dann klirrte eine Kette. »Was ist denn jetzt noch? Ich habe euch doch gesagt . . .« Angellica hatte offensichtlich jemand anderen erwartet, denn sie verstummte mitten im Wort, als sie die Tür vollends öffnete und sah, wer davor stand. Angellica war ein gutes Stück älter als ihre Schwester, machte aber keinen so verhärmten und ausgezehrten Eindruck. Sie hatte dunkles, lang bis auf die Schultern herabfallendes Haar und trug eine dünne Silberkette mit einem auffallend großen Edelstein um den Hals. Ihr Kleid war einfach, aber so gut geschneidert, daß es ein kleines Vermögen wert sein mußte. An ihren Fingern blitzten zahlreiche, schwere Ringe. Es schien gewisse Vorteile zu haben, dachte Charity, auf der Seite der Besatzer zu stehen. Manche Dinge änderten sich anscheinend nie. »Lydia?« flüsterte sie. »Du? Du bist...« Sie brach wieder ab. Ihr Blick glitt kurz und taxierend über Charity, dann über Gurk, der wieder den Strohhut aufgesetzt hatte und mit gesenktem Kopf dastand. »Was willst du hier?« fragte sie dann mit eisiger Stimme. »Was sind das für Leute?« »Laß uns rein, Angellica«, bat Lydia. »Es sind ... Freunde von mir. Sie haben mir geholfen, aber jetzt brauchen wir selbst Hilfe.« »Hilfe?« Angellicas Lippen verzogen sich zu einem kalten, abfälligen Lächeln. »Hilfe — wobei?« fragte sie. »Hast du noch nicht genug Schaden angerichtet?« Kent warf Charity hinter der Tür einen fragenden Blick zu. Sie ignorierte ihn. »Bitte, Angellica«, sagte Lydia. »Nur für einen Moment.« Charity konnte direkt sehen, wie es hinter Angellicas Stirn arbeitete. Und es vergingen noch einmal endlose Sekunden, ehe sie schließlich mit sichtlichem Widerwillen nickte. »Also gut«, sagte sie. »Fünf Minuten. Und gebt euch gar nicht erst die Mühe, euch irgendwie verrückte Geschichten auszudenken. Keine Sekunde länger.« Was für ein Herzchen, dachte Charity. Laut sagte sie: »Ich danke Ihnen«, trat an Lydia und ihrer Schwester vorbei in die Wohnung und schob Gurk dabei wie ein Kind vor sich her. In der gleichen Bewegung und ohne die mindeste Spur von Hast trat sie hinter Angellica, legte ihr den Arm um den Hals und bog ihren Kopf in den Nacken, während sie ihr mit der anderen Hand den Mund zuhielt. Angellica war viel zu überrascht, um auch nur den Versuch einer Gegenwehr zu machen. Aber Charity hielt sie trotzdem mit eiserner Kraft fest, bis auch Kent und Skudder das Zimmer betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatten. Erst dann nahm sie die Hand von Angellicas Mund und lockerte den Druck auf ihren Nacken ein wenig. Gleichzeitig tastete sie mit der freien Hand nach Angellicas Arm und bog ihn auf den Rücken. »Wenn du schreist, breche ich dir den Arm, Schätzchen«, sagte sie freundlich. »Verstanden?« Angellica nickte. »Ich habe verstanden. Sie können mich loslassen.« Charity zögerte. Aber dann fing sie einen Blick Lydias auf. Lydia nickte, und sie ließ Angellicas Arm los und trat rasch einen Schritt zurück. Angellica drehte sich langsam zu ihr herum und blickte abwechselnd sie, Gurk und die beiden Männer an, während sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Arm rieb. Aber sie sagte kein Wort, sondern wandte sich zornig an ihre Schwester. »Reizende Freunde hast du«, schnappte sie. »Aber dein Umgang war ja noch nie der beste. Also — was wollt ihr?« »Die Fragen stellen wir hier«, sagte Kent. In Angellicas Augen blitzte es auf. »So?« sagte sie. »Und ich dachte, das hier wäre meine Wohnung.« Kent lächelte kalt. »So kann man sich täuschen, Gnädigste. Aber keine Sorge — wir bleiben nicht lange. Wir haben nur ein paar Fragen an Sie. Wenn Sie sie beantworten, sind wir schneller wieder weg, als wir gekommen sind.« »Jetzt reicht es«, fauchte Angelika. »Verschwindet — alle fünf. Wenn ihr nicht auf der Stelle macht, daß ihr rauskommt, rufe ich die Wachen!« Sie fuhr herum, trat mit zwei, drei weit ausgreifenden Schritten an ein
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