Die Koenigin der Rebellen
sie schallend zu lachen. »Was ist daran so komisch?« erkundigte sich Gurk mißtrauisch. »Ihr wollt ... in das Shaitaan eindringen?« fragte Angellica, noch immer atemlos vor Lachen. »Ihr seid ja verrückt. Ihr würdet ihm nicht einmal nahe kommen, selbst wenn ich euch den Weg verraten würde — und das werde ich nicht.« Lydia trat wortlos neben sie, riß sie an der Schulter herum und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Angellicas Kopf flog zurück. Sie taumelte gegen die Tür, fand im letzten Moment Halt und preßte die Hand gegen die schmerzende Wange. Ihre Augen flammten. Aber Charity las selbst jetzt in ihrem Blick nicht die mindeste Spur von Angst, sondern nur Verachtung und Zorn. Plötzlich löste sie sich von der Tür, trat mit zwei raschen Schritten auf ihre Schwester zu und ergriff sie grob am Arm. Lydia versuchte ihre Hand abzuschütteln, aber Angellica zerrte sie einfach hinter sich her zum Fenster, ehe sie sie losließ. »Was willst du eigentlich noch?« schrie sie. »Schau hinaus! Und dann sag mir, was du siehst!«
Lydia gehorchte verwirrt. Sekundenlang blickte sie wortlos auf die menschenleere Straße, ehe sie wieder ihre Schwester ansah. »Da ist nichts«, sagte sie. »Eben!« Angellicas Stimme klang beinahe triumphierend. »Vor drei Tagen haben dort noch Menschen gelebt, kleine Schwester. Sie sind noch immer da, aber sie wagen sich nicht mehr aus dem Haus. Und weißt du auch, warum? Weil sie Angst haben. Deinetwegen!« »Was soll das heißen?« fragte Charity scharf. »Die Herren haben eine Strafexpedition losgeschickt«, antwortete Angellica zornig. »Aber warum fragen Sie das nicht Lydia? Sie weiß so gut wie ich, welche Strafe auf den Mord an einem Reiter steht. Hundert für einen.« Im ersten Moment begriff Charity nicht einmal, was Angellica überhaupt meinte. Dann durchfuhr sie ein eisiger Schreck. Ungläubig starrte sie abwechselnd Lydia und ihre Schwester an. »Hundert für . . .« »Sie töten dreihundert Menschen, ja«, sagte Lydia mit zitternder Stimme. »Einhundert für jeden Reiter, den ihr erschossen habt. Das ist immer so. Wenn ... wenn einer von ihnen getötet wird, dann ... dann schicken sie Reiter los, die sich wahllos ihre Opfer suchen. Niemand weiß, wen es trifft.« »Und das hast du gewußt?« fragte Skudder fassungslos. »Natürlich hat sie es gewußt«, antwortete Angellica an Lydias Stelle. »Aber ich glaube, sie hat vergessen, es euch zu erzählen.« Charity fuhr herum und starrte Kent an. Der junge Rebell wich ihrem Blick aus. »Und du?« fragte sie. »Hast du davon gewußt?« Kent nickte. »Ja«, sagte er. »Aber was hätte sich geändert, wenn ich es erzählt hätte? Es ist nun einmal passiert. Verdammt!« fügte er in zornigem Ton hinzu, allerdings noch immer, ohne Charity oder Skudder anzusehen. »Warum glaubt ihr wohl, sind wir so vorsichtig bei dem, was wir unternehmen. Das ist nun einmal Morons Gesetz, und nicht nur hier — hundert für einen!« »Ich glaube, meine Schwester hat Ihnen nicht alles erzählt«, fügte Angellica böse hinzu. »Hat sie Ihnen zum Beispiel gesagt, daß Moron die belohnt, deren Kinder auserwählt werden?« »Belohnt? Wie?« »Mit Leben«, antwortete Angelika. »Zehn Jahre für jedes Kind, das ihnen genommen wird. O ja, ich kann mir vorstellen, was Lydia euch erzählt hat. Aber sie wird dreißig Jahre länger leben als ich.« Sie schwieg einen Moment, ehe sie in höhnischem Ton fortfuhr: »Das hat sie nicht erzählt, wie?« »Dreißig Jahre länger . . .?« wiederholte Charity verwirrt. Angelika nickte. »Vielleicht auch vierzig — wer weiß? Ihr Erbgut ist gut, sonst wäre sie nicht dreimal hintereinander erwählt worden.« »Aber das ist doch Unsinn!« protestierte Charity. »Ich meine ... niemand weiß, wie lange er leben wird, und ... und . . .« Sie brach ab, als sie den betroffenen Ausdruck auf Skudders und Gurks Gesichtern sah. Kent blickte sie einfach nur verwirrt an. Und plötzlich machte sich ein furchtbarer Verdacht in ihr breit. »Wie lange?« fragte sie. »Wie lange läßt Moron die Menschen auf diesem Planeten leben, Skudder?« Der Hopi sah weg. Kent und Angelika tauschten verwirrte Blicke miteinander, während Gurk unbehaglich von einem Fuß auf den anderen zu treten begann. »Wie lange?« fragte Charity noch einmal.
»Fünfzig Jahre«, antwortete Skudder leise.
Kapitel 6
Der Reiter lag halb im Sand begraben, und die Düne wies eindeutige Laserspuren auf. Es waren nicht die
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