Die Königin der Weißen Rose
die Sicherheit des Königreiches tun müssen. Vielleicht muss er eine französische Prinzessin heiraten. Ich brauche Verbündete.»
«Aber er wird doch nicht das Land verlassen?», sage ich. «Und Edward?»
«Nein. Ich sehe, dass er Ludlow zu seinem Zuhause gemacht hat. Edward braucht ihn hier, wenn wir abreisen. Und wir müssen uns bald verabschieden. Ich habe Befehl gegeben, dass wir diesen Monat zurückfahren.»
Ich keuche, obwohl ich doch längst wusste, dass dieser Tag näherrückt.
«Wir kommen ihn wieder besuchen», verspricht er mir. «Und er besucht uns. Du musst nicht so ein trauriges Gesicht aufsetzen, meine Liebe. Er fängt seine Arbeit als Prinz des Hauses York an, dies ist seine Zukunft. Du musst dich für ihn freuen.»
«Ich freue mich ja», sage ich ohne die geringste Überzeugung.
Als der Tag der Abreise gekommen ist, muss ich mir in die Wangen kneifen, um Farbe in sie zu bringen, und mir auf die Lippen beißen, damit ich nicht weine. Anthony weiß, was es mich kostet, die drei zu verlassen, doch Baby Edward ist glücklich. Er ist zuversichtlich, dass er bald zu Besuch an den Hof nach London kommen kann. Ergenießt seine neue Freiheit und die wichtige Rolle, Prinz in seinem eigenen Reich zu sein. Er erlaubt mir, ihn zu küssen und zu umarmen, ohne dass er sich windet. Er flüstert mir sogar «Ich hab dich lieb, Mama» ins Ohr, bevor er sich hinkniet, um meinen Segen zu empfangen. Doch er erhebt sich mit einem Lächeln.
Anthony hebt mich hinter meinen Oberstallmeister in den Damensattel, und ich halte mich gut an seinem Gürtel fest. Ich bin rund und plump, im siebten Monat der Schwangerschaft. Plötzlich überkommt mich eine Welle dunkelster Furcht, und ich blicke von meinem Bruder zu meinen beiden Söhnen, und eine große Angst bemächtigt sich meiner. «Pass gut auf dich auf», sage ich zu Baby.
«Kümmer dich um ihn», bitte ich Anthony. «Schreib mir. Lass ihn nicht mit dem Pony springen. Ich weiß, dass er das möchte, aber er ist noch zu klein. Und achte darauf, dass er nicht friert. Lass ihn nicht bei schlechtem Licht lesen und halt ihn von jedem fern, der krank ist. Wenn in der Stadt eine Seuche umgeht, schaff ihn fort.» Ich weiß nicht, wovor ich sie noch warnen soll; ich bin besessen von Angst, während ich von einem lächelnden Gesicht zum anderen blicke. «Wirklich», sage ich schwach. «Wirklich, Anthony: Pass auf ihn auf.»
Er tritt an das Pferd, umfasst meinen bestiefelten Fuß und schüttelt ihn behutsam. «Euer Gnaden», sagt er schlicht. «Wirklich. Ich bin hier, um auf ihn aufzupassen. Ich werde auf ihn aufpassen. Ich sorge dafür, dass ihm nichts zustößt.»
«Und dir auch nicht», flüstere ich. «Pass auch gut auf dich auf, Anthony. Ich habe solche Angst, aber ich weiß nicht, wovor. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich möchte dich warnen, aber ich weiß nicht, vor welcher Gefahr.» Ich schaue zu meinem Sohn Richard Grey hinüber, der amBurgtor lehnt, ein junger Mann, groß und stattlich. «Und auf meinen Grey-Sohn», sage ich. «Auf meinen Richard. Ich kann dir nicht sagen, warum, aber ich habe Angst um euch alle.»
Er tritt zurück und zuckt die Achseln. «Schwester», sagt er zärtlich, «Gefahren lauern überall. Deine Söhne und ich sind Männer, und wir stellen uns den Gefahren wie Männer. Ängstige dich nicht wegen eingebildeter Gefahren. Und hab eine gute Reise und eine sichere Niederkunft. Wir alle hoffen auf einen zweiten Prinzen, so einen guten wie diesen hier!»
Edward gibt den Befehl zum Aufbruch und reitet voran, ihm voraus seine Standarte, seine Leibgarde um ihn herum. Die königliche Prozession entrollt sich wie ein scharlachrotes Band durch die Burgtore, das strahlende Rot der Livreen durchsetzt mit den wogenden Standarten. Trompeten erschallen; die Vögel fliegen von den Dächern des Schlosses in den Himmel auf und verkünden, dass der König und die Königin ihren kostbaren Sohn verlassen. Ich kann den Vormarsch nicht stoppen, und ich sollte ihn nicht stoppen. Aber ich schaue über die Schulter zurück auf meinen kleinen Sohn, auf meinen großen Sohn und auf meinen Bruder, bis sie durch das Gefälle der Straße vom inneren Bergfried hinunter zu der äußeren Mauer meinen Blicken entzogen werden und ich sie nicht mehr sehe. Und als ich sie nicht mehr sehen kann, werde ich von einer solchen Finsternis erfüllt, dass ich für einen Augenblick glaube, die Nacht habe sich herabgesenkt und niemals mehr werde ein Morgen heraufdämmern.
JULI
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