Die Königin der Weißen Rose
ihn.»
Georges Kumpan, der Verräter Burdett, beteuert auf dem Schafott von Tyburn vor einer geifernden Menschenmenge seine Unschuld und wird dennoch gehängt; doch George, der nichts aus dem Tod seiner Männer gelernt hat, reitet wutentbrannt von London nach Windsor Castle, wo er in den tagenden Kronrat stürmt und die Rede des Verräters wiederholt. Er brüllt sie Edward laut ins Gesicht.
«Das kann nicht wahr sein!», sage ich zu Anthony. Ich bin schockiert.
«Doch, das hat er getan! Das hat er wirklich getan!» Anthony erstickt fast vor Lachen, als er versucht, mir die Szene zu beschreiben. Meine Hofdamen sind im Audienzgemachgeblieben, Anthony und ich haben uns ins Privatgemach zurückgezogen, wo er mir die schockierenden Nachrichten überbringt. «Auf einmal war Edward vor Wut mindestens sieben Fuß groß. Der Kronrat hat entsetzt zugesehen. Du hättest ihre Gesichter sehen müssen, Thomas Stanleys Mund stand offen wie ein Fischmaul! Unser Bruder Lionel hielt vor Schreck das Kreuz auf seiner Brust fest umklammert. Und George läuft direkt auf den König zu und brüllt seinen Text heraus wie eine Marionette. Natürlich versteht die Hälfte der Anwesenden nichts, weil sie nicht wissen, dass George die Schafottrede aus dem Gedächtnis wiedergibt, wie ein Wanderdarsteller. Und als er sagt: ‹Ich bin ein alter Mann, ein weiser Mann …›, sind sie völlig verwirrt.»
Ich kann nicht anders, ich kreische vor Lachen. «Anthony! Hör auf!»
«Ich schwöre dir, niemand hatte einen Schimmer, was vor sich ging, nur Edward und George. Dann hat George ihn einen Tyrannen genannt!»
Abrupt höre ich auf zu lachen. «Vor allen Ratsherren?»
«Einen Tyrannen und Mörder.»
«So hat er ihn genannt?»
«Ja, ins Gesicht. Was hat er damit gemeint? Den Tod von Warwick vielleicht?»
«Nein», sage ich knapp. «Etwas Schlimmeres.»
«Edward of Lancaster? Den jungen Prinzen?»
Ich schüttele den Kopf. «Nein, das war in einer Schlacht.»
«Doch nicht den alten König?»
«Darüber sprechen wir nicht», entgegne ich. «Niemals.»
«Nun, George wird jetzt darüber sprechen. Er erweckt den Eindruck eines Mannes, der bereit ist, über alles zusprechen. Weißt du, er behauptet, Edward sei gar kein Sohn des Hauses York. Er sei ein Bastard von Blaybourne, dem Bogenschützen. Somit wäre George der wahre Thronerbe.»
Ich nicke. «Edward muss ihn zum Schweigen bringen. Das kann so nicht weitergehen.»
«Edward wird ihn sofort zum Schweigen bringen müssen», warnt er mich. «Oder George wird dich und das ganze Haus York zerstören. Wie ich schon sagte, das Wahrzeichen deines Hauses sollte nicht die weiße Rose sein, sondern das alte Symbol für die Ewigkeit.»
«Ewigkeit?», wiederhole ich in der Hoffnung, er habe in diesen finsteren Tagen etwas Beruhigendes zu sagen.
«Ja, die Schlange, die sich selbst auffrisst. Die Söhne von York werden einander vernichten, die Onkel werden ihre Neffen verschlingen, die Väter werden ihre Söhne köpfen. Es ist ein Haus, das Blut braucht, und wenn sie keinen anderen Feind haben, vergießen sie ihr eigenes.»
Ich lege die Hände auf meinen Bauch, als wollte ich das ungeborene Kind davor schützen, solche dunklen Prophezeiungen zu hören. «Sag das nicht, Anthony. Sag so etwas nicht.»
«Es ist aber wahr», sagt er grimmig. «Das Haus York wird fallen, denn was auch immer du oder ich auch tun mögen, sie werden sich gegenseitig vernichten.»
Sechs Wochen vor meiner Niederkunft ziehe ich mich in mein abgedunkeltes Schlafgemach zurück und lasse die Sache in der Schwebe. Edward ist unschlüssig, was zu tun ist. Ein treubrüchiger Bruder ist in England nichts Neues, auch in dieser Familie nicht, aber für Edward ist es eineschiere Qual. «Tu nichts, bevor ich wieder herauskomme», sage ich zu ihm, noch auf der Schwelle meiner Kammer. «Vielleicht kommt er wieder zur Vernunft und bittet um Vergebung. Wenn ich wieder herauskomme, können wir alles entscheiden.»
«Und du sei guten Mutes.» Er wirft einen Blick auf das abgedunkelte Gemach hinter mir, erwärmt von einem kleinen Feuer, mit nackten Wänden, denn sie haben alle Bilder abgenommen, die sich auf die Gestalt des wartenden Babys auswirken könnten. Er beugt sich vor. «Ich komme dich besuchen», flüstert er.
Ich lächle. Edward schert sich nicht darum, dass die Gemächer zur Zeit der Niederkunft allein den Frauen vorbehalten sind. «Bring mir Wein und Konfekt mit», sage ich.
«Nur, wenn du mich süß küsst!»
«Edward,
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