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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Auflistung der Tage, die Edward bis zu seinem vorhergesagten Tod noch verbleiben, sondern auch eine Reihevon Zaubersprüchen, die ihn ins Grab bringen sollen. Als Edward mir das zeigt, fange ich unwillkürlich an zu zittern. Ich bebe, als hätte ich Schüttelfrost. Ob sie tatsächlich den Tod herbeiführen können oder nicht, in jedem Fall wohnt diesen uralten Zeichnungen auf dunklem Papier eine finstere Macht inne. «Mir wird kalt davon», sage ich. «Sie haben etwas Kaltes und Feuchtes. Von ihnen geht etwas ungemein Böses aus.»
    «Mit Sicherheit sind es schwerwiegende Beweisstücke», sagt Edward grimmig. «Nie hätte ich mir träumen lassen, dass George so heimtückisch gegen mich vorgehen könnte. Ich hätte mein Wort darauf gegeben, dass er friedlich oder wenigstens ruhig mit uns zusammenleben wollte. Aber seine Männer sind einfach unfähig, und jetzt wissen alle, dass mein eigener Bruder ein Komplott gegen mich geschmiedet hat. Burdett wird für schuldig befunden und gehängt. Doch dabei wird herauskommen, dass George ihn angeheuert hat. Auch George ist des Hochverrats schuldig. Aber ich kann doch nicht meinen eigenen Bruder vor Gericht zerren!»
    «Warum nicht?», frage ich scharf. Ich sitze auf einem niedrigen Sessel am Feuer meines Schlafgemachs und trage nur meinen pelzverbrämten Nachtumhang. Wir wollten eigentlich gerade beide in unsere jeweiligen Schlafgemächer gehen, aber Edward kann seinen Zorn nicht mehr für sich behalten. Burdetts schleimige Zaubersprüche haben seine Gesundheit vielleicht nicht beeinträchtigt, aber sie haben seinen Gemütszustand verdüstert. «Warum solltest du George nicht den Prozess machen und ihn den Tod eines Verräters sterben lassen? Er hat ihn verdient.»
    «Weil ich ihn liebe», erwidert er schlicht. «So sehr wie du deinen Bruder Anthony. Ich kann ihn nicht aufs Schafottschicken, er ist mein kleiner Bruder. In der Schlacht hat er mir zur Seite gestanden. Wir sind eng verwandt. Er ist der Liebling meiner Mutter – er ist unser George.»
    «In der Schlacht stand er auch schon auf der anderen Seite», erinnere ich ihn. «Mehr als einmal hat er dich und deine Familie verraten. Wenn du ihnen nicht entwischt wärst, hätte er zugesehen, wie du umkommst, als Warwick und er dich gefangen genommen hatten. Er hat mich eine Hexe genannt, er hat meine Mutter verhaftet, er stand daneben und hat zugesehen, wie sie meinen Vater und meinen Bruder John getötet haben. Er lässt sich nicht durch Gerechtigkeit oder Familiengefühle aufhalten. Warum solltest du es dann tun?»
    Edward, der auf einem Stuhl auf der anderen Seite des Feuers sitzt, beugt sich vor. Im flackernden Flammenschein wirkt sein Gesicht alt. Zum ersten Mal sehe ich ihm seine Jahre an. «Ich weiß, ich weiß. Ich sollte härter mit ihm verfahren, aber ich kann nicht. Er ist der Lieblingssohn meiner Mutter; er ist unser kleiner, goldener Junge. Ich kann nicht glauben, dass er so   …»
    «Boshaft ist», schlage ich vor. «Euer kleines Hätschelkind ist boshaft geworden. Er ist jetzt ausgewachsen und kein süßes Goldkind mehr. Er hat einen schlechten Charakter, und er wurde von Geburt an verwöhnt. Du musst dich mit ihm auseinandersetzen, Edward, hör auf meine Worte. Wenn du ihn freundlich behandelst, zahlt er es dir nur mit weiteren Intrigen zurück.»
    «Vielleicht», sagt er und seufzt. «Aber vielleicht lernt er auch etwas daraus.»
    «Ausgeschlossen», widerspreche ich. «Du bist erst sicher vor ihm, wenn er tot ist. Du wirst es tun müssen, Edward. Wählen kannst du nur das Wann und Wie.»
    Er steht auf, reckt sich und geht zum Bett hinüber.«Ich möchte dich zu Bett bringen, bevor ich in meine Gemächer gehe. Ich bin froh, wenn das Baby geboren ist und wir wieder zusammen schlafen können.»
    «In einer Minute», sage ich. Ich beuge mich vor und blicke in die Glut. Ich bin die Erbin einer Wassergöttin, in den Flammen kann ich nicht so viel lesen. Dennoch sehe ich in der Aschenglut Georges launisches Gesicht, und hinter ihm etwas anderes, ein hohes Gebäude, dunkel wie ein Wegweiser – den Tower. Für mich wird er immer ein finsteres Gebäude sein, ein Ort des Todes. Ich zucke die Schultern. Vielleicht bedeutet es ja auch nichts.
    Ich stehe auf, gehe zu Bett und kuschele mich unter die Decken. Edward nimmt meine Hände und küsst sie.
    «Ist dir kalt?», fragt er überrascht. «Ich dachte, das Feuer sei warm genug.»
    «Ich hasse ihn», sage ich vor mich hin.
    «Wen?»
    «Den Tower von London. Ich hasse

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