Die Königin der Weißen Rose
die Gelegenheit nicht nutzen, um den Thron für sich zu beanspruchen? Außerdem hat er auch einen Sohn von Anne Neville, der Prince of Wales sein könnte, anstelle meines Prinzen. Warum sollte Richard, der ein halbes Dutzend Schlachten für Edward gewonnen hat, nicht eine weitere für sich selbst entscheiden?
Edwards Gesicht ist grau vor Erschöpfung. «Schwöre es, Elizabeth», flüstert er. «Um meinetwillen. Um Edwards willen.»
«Glaubst du, das wird Edward Sicherheit gewähren?»
Er nickt. «Es ist der einzige Weg. Er wird sicher sein, wenn du und die Lords zustimmen, wenn Richard zustimmt.»
Ich stehe mit dem Rücken an der Wand. «Ich schwöre es», sage ich.
Edward lockert die Umklammerung unserer Hände und sinkt in seine Kissen zurück. Hastings weint. Er verbirgt den Kopf in der Decke, und Edwards Hand tastet blind nach dem Haupt des alten Freundes, als wollte er ihn segnen. Die anderen verlassen den Raum, Hastings und ich bleiben zurück, jeder auf einer Seite des Bettes, und der König stirbt.
Ich habe keine Zeit zum Trauern, keine Zeit, meinen Verlust auszuloten. Mein Herz ist gebrochen, der Mann, den ich liebe, der einzige Mann, den ich in meinem ganzen Leben je geliebt habe und den ich je lieben werde, ist von mir gegangen. Edward, der Junge, der auf mich zugerittenkam, als ich auf ihn gewartet habe. Mein Geliebter. Ich habe keine Zeit, an all das zu denken, wenn die Zukunft meines Sohnes und die Aussichten meiner Familie davon abhängen, dass ich willensstark und tränenlos bin.
In der Nacht schreibe ich an meinen Bruder Anthony.
Der König ist tot. Bring den neuen König Edward so schnell wie möglich nach London. Berufe alle Männer, über die Du verfügen kannst, in die Leibgarde ein – wir werden sie brauchen. Edward hat idiotischerweise Richard of Gloucester zum Lord Protector ernannt. Richard hasst uns beide gleichermaßen, wegen der Liebe des Königs zu uns und wegen unserer Macht. Wir müssen Edward sofort krönen lassen und seine Stellung gegen den Herzog verteidigen, der seinen Posten als Lord Protector nicht kampflos aufgeben wird. Rekrutiere Männer im Vorbeimarschieren und sammele alle Waffen ein, die in Verstecken am Weg gelagert sind. Halt Dich bereit für die Schlacht, um unseren Erben zu verteidigen. Ich werde die Bekanntgabe von Edwards Tod so lange hinausschieben, wie ich kann, damit Richard im Norden keine Kenntnis des Geschehens hat. Also beeil Dich.
Elizabeth
Was ich nicht weiß, ist, dass Hastings einen Brief an Richard schreibt, voller Tränenflecken, aber lesbar genug, um ihm mitzuteilen, dass die Familie Rivers einen Schutzwall um ihren Prinzen errichtet und dass Richard sofort mit so vielen Männern wie möglich kommen sollte, wenn er die Position als Lord Protector übernehmen will, wenn er den jungen Prinzen vor seiner eigenen raffgierigen Familie schützen will, bevor der Prinz von seiner eigenen Sippschaft verschleppt wird. Er schreibt:
Der König hat alles Eurer Obhut anvertraut – das Vermögen, den Erben, das Reich. Bringt unseren Souverän, Lord Edward V., in Sicherheit nach London, bevor uns die Rivers hier fortschwemmen.
Was ich nicht weiß und was ich mir auch nicht zu denken erlaube, ist, dass ich – die ich die andauernden Kriege um den Thron von England fürchten gelernt habe – gerade dabei bin, selbst einen Krieg anzuzetteln, und dass diesmal die Thronfolge und sogar das Leben meines geliebten Sohnes auf dem Spiel stehen.
Er entführt ihn.
Richard marschiert schneller, er ist besser gerüstet und resoluter, als wir uns je hätten träumen lassen. Er marschiert so entschlossen, wie Edward es getan hätte – und er ist genauso skrupellos. Er lauert meinem Sohn auf dessen Weg nach London auf, schickt die Männer aus Wales, die Edward und mir treu sind, nach Hause, verhaftet meinen Bruder Anthony, meinen Sohn Richard Grey und unseren Cousin Thomas Vaughan und nimmt Edward in seinen sogenannten Gewahrsam. Mein Sohn ist noch keine dreizehn, in Gottes Namen, er ist erst zwölf! Seine Stimme ist noch ungebrochen, sein Kinn so glatt wie das eines Mädchens, und auf seiner Oberlippe steht erster weicher Flaum, den man nur gegen das Licht im Profil bemerkt. Als Richard die treuen Begleiter wegschickt, den Onkel, den er vergöttert, den Halbbruder, den er liebt, setzt Edward sich mit leicht zitternder Stimme für sie ein. Er bringt vor, er sei überzeugt, sein Vater habe nur gute Männer um ihn geschart, er wolle sie in seinen
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