Die Königin der Weißen Rose
werde es ausrichten, Euer Gnaden.» Sie macht noch einen tiefen Knicks und wendet sich zur Tür. «Darf ich Euch meiner Anteilnahme am Verlust Eures Gemahls versichern? Er war ein großer Mann. Es war mir eine Ehre, ihn lieben zu dürfen.»
«Er hat dich nicht geliebt», sage ich, plötzlich gehässig. Sie wird blass.
«Nein, geliebt hat er nie eine andere als Euch», antwortet sie so liebenswürdig, dass mich ihre Zärtlichkeit rührt. Ich sehe die Andeutung eines Lächelns, aber ihre Augen sind schon wieder feucht. «Ich habe nie daran gezweifelt, dass es auf dem Thron wie in seinem Herzen nur eine Königin gab. Er hat mich nie darüber im Zweifel gelassen. Alle wussten es: Für ihn gab es nur Euch.»
Sie schiebt den Riegel zur Seite und öffnet die kleine Tür in dem großen Tor. «Du warst ihm teuer», sage ich, unwillkürlich getrieben, gerecht zu sein. «Ich war eifersüchtig auf dich, weil ich wusste, dass du ihm sehr viel bedeutet hast. Er hat gesagt, du seist seine fröhlichste Hure gewesen.»
Ihr Gesicht leuchtet auf wie eine Laterne, in der eine Kerze angezündet wird. «Ich freue mich, dass er so von mir gedacht hat und dass Ihr so freundlich seid, es mir zuerzählen», sagt sie. «Ich habe mich nie viel um Politik oder Stellung gekümmert. Ich war gern mit ihm zusammen, um ihn glücklich zu machen.»
«Nun gut, nun gut», sage ich, weil mein Großmut enge Grenzen hat. «Geh mit Gott!»
«Und Gott sei mit Euch, Euer Gnaden», erwidert sie. «Ich könnte noch einmal gebeten werden, Euch Botschaften zu überbringen. Werdet Ihr mich empfangen?»
«Dich wie alle anderen. Gott weiß, wenn es Hastings gefällt, Edwards Huren als Botinnen zu nutzen, so werde ich Hunderte von ihnen vorlassen», sage ich gereizt und sehe gerade noch ein flüchtiges Lächeln, als sie durch den Türspalt huscht und ich die Tür hinter ihr zuknalle.
JUNI 1483
Hastings’ Versicherungen halten mich nicht auf. Ich bin fest entschlossen, gegen Richard Krieg zu führen. Ich werde ihn vernichten und meinen Sohn, meinen Bruder und den jungen König befreien. Ich werde nicht Hastings’ Vorschlag folgen und unterwürfig darauf warten, dass Richard Edward krönt. Ich traue ihm nicht, und ich traue auch dem Kronrat und den Bürgern von London nicht, die darauf warten, sich als Überläufer auf die Seite der Sieger zu schlagen. Wir greifen ihn an und überrumpeln ihn.
«Schick die Nachricht an deinen Onkel Edward», sage ich zu Thomas, meinem jüngeren Grey-Sohn. «Sag ihm, er soll die Flotte in Kampfbereitschaft versetzen, dann kommen wir aus dem Asyl und wiegeln das Volk auf. Herzog Richard hält sich in Baynard’s Castle bei seiner Mutter auf. Edward muss den Palast bombardieren, während wir in den Tower einbrechen und unseren Prinzen Edward herausholen.»
«Was ist, wenn Richard nichts anderes vorhat, als ihn zu krönen?», fragt er mich, während er sich daranmacht, die Nachricht verschlüsselt niederzuschreiben. Unser Bote wartet in einem Versteck, um zu der Flotte zu reiten, die sich in den tiefen Gewässern der Downs bereithält.
«Dann ist Richard tot, und wir krönen Edward trotzdem»,sage ich. «Vielleicht haben wir einen treuen Freund und einen Prinzen aus dem Hause York getötet, doch darüber können wir später trauern. Unsere Zeit ist jetzt gekommen. Wir können nicht warten, bis er ganz London unter seiner Befehlsgewalt hat. Das halbe Land wird noch nicht gehört haben, dass König Edward tot ist. Lasst uns Herzog Richard erledigen, bevor seine Herrschaft noch länger dauert.»
«Ich würde gern einige Lords rekrutieren», sagt er.
«Tu, was du kannst», sage ich gleichgültig. «Ich habe Lady Margaret Stanleys Wort, dass ihr Gatte auf unserer Seite steht, obwohl er vorgibt, Richards Freund zu sein. Du kannst ihn fragen. Alle, die sich nicht für uns erhoben haben, als Richard nach London kam, können von mir aus mit ihm sterben. Sie haben mich und die Erinnerung an meinen Gatten verraten. Wer diese Schlacht überlebt, den werden wir wegen Hochverrats anklagen und köpfen lassen.»
Thomas schaut zu mir auf. «Dann erklärst du schon wieder Krieg», sagt er. «Wir Rivers und unsere Strohmänner, unsere Cousins und unsere ganze Sippe gegen die Lords von England mit Herzog Richard, deinem Schwager, an der Spitze. Das heißt York gegen York. Es wird ein bitterer Kampf, der schwer zu beenden sein wird, wenn er erst einmal angefangen hat. Und schwer zu gewinnen.»
«Er muss begonnen werden», erwidere ich grimmig.
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