Die Königin der Weißen Rose
Mutter …»
Ich setze mich und bedeute ihr mit einer Geste, neben mir Platz zu nehmen. «Es geht um meinen Onkel Richard», beginnt sie leise. «Er ist … oh, Frau Mutter, er bedeutet mir alles.»
Ich bemerke, dass ich sehr ruhig dasitze. Nur meine Hände haben gezuckt. Ich falte sie, um sie ruhig zu halten.
«Er war so freundlich zu mir, als wir an den Hof kamen,und dann hat er sich sehr darum gekümmert, dass ich glücklich war mit meinen Pflichten als Zofe. Die Königin ist sehr freundlich und leicht zufriedenzustellen, aber er hat mich immer wieder aufgesucht und mich gefragt, wie es mir geht.» Sie unterbricht sich. «Er hat mich gefragt, ob ich dich vermisse, und er hat gesagt, du seist jederzeit am Hofe willkommen, der Hof würde dich ehren. Er hat über meinen Vater gesprochen», erzählt sie. «Er hat bemerkt, wie stolz mein Vater auf mich wäre, wenn er mich jetzt sehen könnte. Er sagte, in gewisser Weise sei ich wie er. Oh, Mutter, er ist so ein feiner Mann, ich kann nicht glauben, dass er … dass er …»
«Dass er?», wiederhole ich, meine Stimme ein leises Echo der ihren.
«Dass er mich mag.»
«Tut er das?» Mir ist so kalt, als liefe ein Eisrinnsal meine Wirbelsäule hinunter. «Mag er dich?»
Sie nickt eifrig. «Er hat die Königin nie geliebt», fährt sie fort. «Er fühlte sich verpflichtet, sie zu heiraten, um sie vor seinem Bruder George, Duke of Clarence, zu retten.» Sie sieht mich an. «Du erinnerst dich sicher. Du warst dort, nicht wahr? Sie wollten sie in eine Falle locken und sie in ein Kloster stecken. George wollte sie um ihr Erbe bringen.»
Ich nicke. Ich habe das etwas anders in Erinnerung, doch ich begreife, dass seine Version für ein leicht zu beeindruckendes Mädchen die bessere ist.
«Er wusste, wenn George sie unter seine Vormundschaft stellen würde, würde er sich ihres Vermögens bemächtigen. Sie wollte so gern heiraten, und er dachte, es wäre das Beste, was er tun könnte. Er hat sie geheiratet, um ihr Erbe zu sichern, um ihrer Sicherheit willen und damit sie Ruhe findet.»
«Tatsächlich», sage ich. Ich habe es so in Erinnerung, dass George eine Neville-Erbin hatte und Richard sich die andere geschnappt hat. Dass sie sich wie streunende Hunde um das Erbe gezankt haben. Aber ich verstehe auch, dass Richard meiner Tochter lieber die ritterlichere Version der Geschichte erzählt hat.
«Königin Anne geht es nicht gut.» Elizabeth senkt den Kopf und flüstert: «Sie kann keine Kinder mehr bekommen, dessen ist er sich gewiss. Er hat die Ärzte gefragt, sie wissen genau, dass sie kein Kind mehr empfangen kann. Aber er braucht einen Erben für England. Er hat mich gefragt, ob ich es für möglich halte, dass einer unserer Jungen entkommen konnte und in Sicherheit ist.»
Sofort bin ich hellwach und alarmiert. «Und was hast du gesagt?»
Sie lächelt zu mir auf. «Ich hätte ihm die Wahrheit gesagt, ich würde ihm alles anvertrauen, aber ich wusste, dass du wollen würdest, dass ich lüge», antwortet sie freundlich. «Ich habe gesagt, wir wüssten auch nicht mehr als das, was er uns gesagt hat. Und er hat wiederholt, es habe ihm das Herz gebrochen, aber er wisse nicht, wo unsere Jungen seien. Er sagte, wenn er es wüsste, würde er sie jetzt zu seinen Erben ernennen. Mutter, denk darüber nach. Das hat er gesagt. Er hat gesagt, wenn er wüsste, wo unsere Jungen sind, würde er sie retten und zu seinen Erben machen.»
Oh, würde er das?, denke ich. Aber welche Garantie habe ich, dass er nicht Meuchelmörder ausschickt? «Das ist gut», sage ich ruhig. «Trotzdem darfst du ihm nichts von Richard erzählen. Ich kann ihm noch nicht vertrauen, selbst wenn du es kannst.»
«Ich vertraue ihm!», ruft sie aus. «Ich vertraue ihm wirklich. Ich würde ihm sogar mein Leben anvertrauen – ich habe noch nie so einen Mann kennengelernt.»
Ich halte inne. Sinnlos, sie daran zu erinnern, dass sie keine anderen Männer kennt. Den größten Teil ihres Lebens war sie eine Prinzessin, die wie eine Porzellanfigurine in einer goldenen Schachtel lebte. Sie wurde in Gefangenschaft erzogen, zusammen mit ihrer Mutter und ihren Schwestern. Die einzigen Männer, die sie je zu Gesicht bekam, waren Priester und Diener. Sie ist nicht vorbereitet auf einen attraktiven Mann, der mit ihren Gefühlen spielt, sie verführt, sie zur Liebe drängt.
«Wie weit ist die Sache gegangen?», frage ich sie offen. «Wie weit ist das gegangen zwischen euch beiden?»
Sie wendet den Kopf ab.
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