Die Königin der Weißen Rose
zu folgen. «Wir sind bereit», sage ich. Flankiert vom Duke of Clarence und dem Earl of Warwick, schreite ich langsam durch die sich vor uns teilende Menschenmenge zur Klosterkapelle.
Dem ersten Eindruck nach zu schließen, sind alle, denen ich je bei Hofe begegnet bin, zugegen, mir zu Ehren festlich gekleidet, und dazu noch Hunderte neuer Gesichter aus den Reihen der Yorks. Vorne stehen die Lords in hermelingesäumten Umhängen, hinter ihnen der niedere Adel mit Amtsketten und Juwelen. Die Ratsherren und Stadträte von London sind herbeigeströmt, um mir vorgestellt zu werden, unter ihnen die Stadtväter. Auch die bürgerlichen Honoratioren von Reading sind anwesend und geben sich Mühe, trotz der großen Hennins und Helmbüsche etwas zu sehen und gesehen zu werden. Hinter ihnen stehen die Zunftleute von Reading und Landedelleute aus ganz England. Es ist ein Ereignis von nationaler Bedeutung; jeder, der ein Wams kaufen und ein Pferd leihen konnte, ist hier, um die skandalumwitterteneue Königin zu sehen. Ich muss mich ihnen allein stellen und mich aus tausend Augen taxieren lassen: von den Schuhen bis zu meinem hohen Kopfschmuck mit dem luftigen Schleier, von den Perlen an meinem bescheiden geschnittenen Gewand bis zur Perfektion der Spitze, die die weiße Haut meiner Schultern bedeckt und doch betont. Langsam, wie ein Windhauch, der durch Baumkronen fährt, ziehen sie ihre Hüte und verbeugen sich, und mir wird klar, dass sie mir damit ihre Anerkennung als Königin zollen. Als Königin anstelle von Margarete von Anjou, Königin von England, der größten Frau im Königreich. Von jetzt an wird in meinem Leben nichts je wieder so sein wie früher. Ich lächle zu beiden Seiten und nehme die Segenswünsche und das Lobesgemurmel an, und doch bemerke ich, dass ich Warwicks Hand fester umklammere und er auf mich herablächelt, als freute es ihn, meine Angst zu spüren.
Er sagt: «Es ist nur normal, wenn Ihr überwältigt seid, Euer Gnaden.» Das ist es, in der Tat, für eine gewöhnliche Sterbliche ist es ganz normal, doch einer Prinzessin wäre es nie so ergangen, und ich gebe das Lächeln zurück, weil ich mich nicht verteidigen, nicht sprechen kann.
In dieser Nacht, nachdem wir uns geliebt haben, sage ich zu Edward: «Ich mag den Earl of Warwick nicht.»
«Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin», entgegnet er schlicht. «Du musst ihn meinetwegen lieben.»
«Und dein Bruder George? Und William Hastings?»
Er rollt auf seine Seite des Bettes und grinst mich an. «Das sind meine Gefährten und Waffenbrüder», erklärt er. «Du heiratest in eine kriegführende Armee ein. Wir könnenuns weder unsere Verbündeten noch unsere Freunde aussuchen. Wir sind einfach froh über sie. Liebe sie für mich, Liebste.»
Ich nicke gehorsam. Aber ich kenne meine Feinde.
MAI 1465
Der König entscheidet, dass er mir die triumphalste Krönung ausrichten wird, die England je erlebt hat. Das ist nicht nur ein Kompliment an mich. «Wir machen dich zur Königin, zur unangefochtenen Königin, und jeder Lord im Königreich wird sein Knie vor dir beugen. Meine Mutter …» Er bricht ab und verzieht das Gesicht. «Meine Mutter wird dir im Rahmen der Feierlichkeiten ihre Ehre erweisen. Dann kann niemand mehr leugnen, dass du die Königin und meine rechtmäßig angetraute Gattin bist. Es wird die zum Schweigen bringen, die behaupten, unsere Ehe wäre ungültig.»
«Wer sagt das?», will ich wissen. «Wer wagt es?»
Er grinst mich an. Er ist noch immer ein Junge. «Glaubst du, das würde ich dir sagen, damit du sie in Frösche verwandelst? Mach dir nichts daraus, wenn jemand gegen uns ist. Solange sie nur in den Ecken flüstern, ist es nicht wichtig. Eine prächtige Krönung für dich zeugt auch von meiner Stellung als König. Jeder kann sehen, dass ich König bin und der arme Henry irgendwo in Cumbria ein Bettler ist und seine Frau ein Gast ihres Vaters in Anjou.»
«Wie prächtig?», frage ich. Mir ist bei dem Gedanken nicht wohl.
«Du wirst wanken unter dem Gewicht deiner Juwelen», verspricht er mir.
Am Ende ist es noch prunkvoller, als er vorausgesagt hat, prunkvoller, als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich ziehe über die London Bridge in die Stadt ein, aber die dreckige alte Straße ist verschwunden. Sie wurde mit zahllosen Wagenladungen funkelnden Sandes so verwandelt, dass sie jetzt fast einem Turnierplatz gleicht. Musikanten in Engelskostümen aus Pfauenfedern heißen mich willkommen, ihre schillernden
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