Die Königin der Weißen Rose
hätte …»
«Vielleicht hättet Ihr das, aber für uns ist das nicht weiter von Interesse. Edward ist König. Gott weiß, er hat genug Schlachten geführt, um seinen Anspruch zu untermauern.»
«Ich könnte verhindern, dass er König bleibt», bricht es aus ihr heraus. Ihre Wangen glühen. «Ich könnte ihn enterben, ich könnte ihn verleugnen, ich könnte George an seiner Stelle auf den Thron setzen. Wie würde Euch das als Folge Eurer sogenannten privaten Hochzeit gefallen, Lady Rivers?»
Die Ladys der Herzogin erbleichen und treten entsetzt einen Schritt zurück. Margaret, die ihren Bruder anbetet, flüstert: «Mutter!», doch mehr traut sie sich nicht zu sagen. Edward war nie der Liebling seiner Mutter. Edmund, ihr geliebter Edmund, ist zusammen mit seinem Vater in Wakefield gefallen, und die siegreichen Lancastrianer haben ihre Häupter auf die Tore von York gesteckt. George, sein jüngerer Bruder, der Liebling der Mutter, ist das Schoßkind der Familie. Richard, der Jüngste, ist das dunkelhaarige Sorgenkind. Unglaublich, dass sie darüber spricht, unter Missachtung der Thronfolge einen Sohn dem anderen vorzuziehen.
«Wie?», fragt meine Mutter scharf und zwingt sie, Farbe zu bekennen. «Wie würdet Ihr Euren Sohn stürzen?»
«Wenn er nicht das Kind meines Ehemannes wäre …»
«Mutter!», jammert Margaret.
«Und wie könnte das sein?», will meine Mutter wissen, süß wie Gift. «Würdet Ihr tatsächlich Euren eigenen Sohn einen Bastard nennen? Euch selbst eine Hure? Würdet Ihr aus schierer Boshaftigkeit, nur um uns zu stürzen, Eureneigenen guten Ruf zerstören und Eurem verstorbenen Gatten Hörner aufsetzen? Als sie sein abgeschlagenes Haupt auf das Tor von York gespießt haben, haben sie ihm zum Spott eine Papierkrone aufgesetzt. Das wäre nichts gegen die Hörner, die Ihr ihm jetzt aufsetzen wollt. Würdet Ihr Euch selbst Schande bereiten? Würdet Ihr Eurem Ehemann mehr Schande machen, als seine Feinde es vermochten?»
Den Frauen entfährt ein kleiner Schrei, und die arme Margaret strauchelt, als würde sie ohnmächtig. Meine Schwestern und ich schauen erstaunt von unserer Mutter zur Mutter des Königs, die Auge um Auge kämpfen – wie zwei Männer mit Streitäxten im Turnier – und die das Unaussprechliche aussprechen.
«Viele würden mir glauben», droht die Mutter des Königs.
«Umso mehr solltet Ihr Euch schämen», entgegnet meine Mutter resolut. «Die Gerüchte über seine Zeugung sind in England angekommen. Ich war allerdings unter denen, die geschworen haben, eine Lady Eures Standes würde sich niemals so weit erniedrigen. Wie alle anderen habe auch ich jedoch Gerüchte über einen Bogenschützen namens …»
Sie tut, als hätte sie den Namen vergessen und tippt sich leicht an die Stirn. «Ach ja, Blaybourne … ein Bogenschütze namens Blaybourne, der angeblich Euer Geliebter war. Aber ich sagte, und sogar Königin Marguerite d’Anjou sagte, dass eine große Lady wie Ihr sich niemals so weit erniedrigen würde, einem gewöhnlichen Bogenschützen beizuliegen und einem Adligen dessen Bastard unterzuschieben.»
Der Name Blaybourne donnert in den Raum wie eine Kanonenkugel. Fast kann man hören, wie sie ausrollt. Meine Mutter fürchtet sich vor nichts.
«Und überhaupt, wenn Ihr die Lords dazu bringt,König Edward zu stürzen, wer soll dann Euren neuen König George unterstützen? Könnt Ihr darauf vertrauen, dass sein Bruder Richard nicht auch versuchen wird, den Thron für sich zu gewinnen? Würde nicht Euer Verwandter und großer Freund, Lord Warwick, den Thron für sich beanspruchen? Warum sollten sie einander nicht befehden, eine neue Generation von Feinden in einem Land, in dem Bruder gegen Bruder kämpft und in dem der Friede, den Euer Sohn für sich und für sein Haus geschaffen hat, zerstört wird? Würdet Ihr alles vernichten für nichts, allein aus schierer Bosheit? Wir wissen alle, dass das Haus York von Ehrgeiz zerfressen ist; werden wir zusehen können, wie Ihr Euch gegenseitig auffresst, wie eine verängstigte Katze ihren Wurf?»
Das ist zu viel. Die Mutter des Königs hebt abwehrend die Hand gegen meine Mutter, als wolle sie sie bitten aufzuhören. «Nein, nein. Genug.»
«Ich spreche als Freundin», sagt meine Mutter schnell und gewandt wie ein Aal. «Eure gedankenlosen Worte gegen den König werden diesen Raum nicht verlassen. Meine Töchter und ich werden einen solchen Skandal nicht verbreiten, solch einen Hochverrat. Wir werden vergessen, dass Ihr
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