Die Königin der Weißen Rose
dergleichen je gesagt habt. Es tut mir nur leid, dass Ihr daran gedacht habt. Ich wundere mich, dass Ihr so etwas aussprecht.»
«Genug», wiederholt die Mutter des Königs. «Ich wollte Euch nur wissen lassen, dass diese unüberlegte Eheschließung nicht nach meinem Willen ist. Wenn ich auch einsehe, dass ich sie akzeptieren muss. Ihr zeigt mir, dass ich sie akzeptieren muss. Sosehr ich mich auch darüber ärgere, sosehr es meinen Sohn und mein ganzes Geschlecht abwertet, ich muss es akzeptieren.» Sie seufzt. «Ich werde es als Bürde betrachten, die ich zu tragen habe.»
«Es war der Wunsch des Königs, dem alle sich beugen müssen», entgegnet meine Mutter. «König Edward hat seine Frau gewählt, und sie wird die Königin von England sein und die größte Lady im Land – ohne Ausnahme. Niemand kann bezweifeln, dass meine Tochter nicht die schönste Königin abgibt, die England je gesehen hat.»
Die Mutter des Königs, die zu ihrer Zeit so berühmt war für ihre Schönheit, dass man sie die Rose von Raby nannte, sieht mich das erste Mal an. «Wahrscheinlich», sagt sie widerwillig.
Ich knickse wieder. «Soll ich Euch ‹Mutter› nennen?», frage ich sie fröhlich.
Nach dem quälenden Antrittsbesuch bei Edwards Mutter muss ich mich auf meine Präsentation bei Hof vorbereiten. Die Londoner Schneider haben Anthonys Anweisungen rechtzeitig ausgeführt. Ich trage ein neues Kleid in einem sehr hellen Grau, am Saum mit Perlen eingefasst. Vorne ist es tief ausgeschnitten, es wird durch einen hohen, mit Perlen besetzten Gürtel akzentuiert und durch die langen Ärmel aus Seide. Dazu setze ich einen hohen Kopfschmuck auf, der mit einem grauen Schleier drapiert ist. Meine Aufmachung ist prächtig und täuschend bescheiden zugleich, und als meine Mutter ins Zimmer kommt, um nachzusehen, ob ich angekleidet bin, nimmt sie mich bei den Händen und küsst mich auf beide Wangen. «Schön», sagt sie. «Niemand wird bezweifeln, dass er dich nicht aus Liebe auf den ersten Blick geheiratet hat. Troubadour-Liebe, Gott segne euch.»
«Werde ich schon erwartet?», frage ich nervös.
Sie weist mit einem Nicken auf das Gemach vor meinemSchlafzimmer. «Sie sind alle da: Lord Warwick, der Duke of Clarence und ein halbes Dutzend anderer.»
Ich hole tief Luft, vergewissere mich, dass mein Kopfschmuck richtig sitzt, und nicke meinen Kammerzofen zu: Sie sollen die Doppeltüren öffnen. Hocherhobenen Hauptes schreite ich wie eine Königin hinaus.
Lord Warwick steht, ganz in Schwarz gekleidet, am Kamin – ein großer Mann Ende dreißig mit den breiten Schultern und dem strengen Profil eines Tyrannen – und sieht in die Flammen. Als er hört, wie sich die Türen öffnen, wendet er sich um und blickt mich finster an, dann geruht er, ein falsches Lächeln aufzusetzen. «Euer Gnaden», sagt er und verneigt sich tief.
Ich knickse vor ihm, aber ich sehe, dass das Lächeln seine dunklen Augen nicht erreicht. Er hatte damit gerechnet, dass Edward unter seiner Aufsicht bleibt. Er hatte dem König von Frankreich Edward für die Hand seiner Tochter versprochen. Für ihn ist alles falschgelaufen, und die Leute fragen sich, ob er überhaupt noch Macht über diesen neuen Throninhaber hat oder ob Edward jetzt seine eigenen Entscheidungen trifft.
Der Duke of Clarence, des Königs geliebter Bruder George, steht neben ihm. Er sieht wie ein echter Prinz aus dem Hause York aus. Mit seinem goldenen Haar, einem freundlichen Lächeln und seiner anmutigen Statur ist er eine stattliche Kopie meines Ehemannes. Er ist gut gebaut, seine Verbeugung ist so elegant wie die eines italienischen Tänzers und sein Lächeln charmant. «Euer Gnaden», begrüßt er mich. «Meine neue Schwester. Ich freue mich über Eure überraschende Heirat und wünsche Euch alles Gute für Euren neuen Stand.»
Als ich ihm die Hand reiche, zieht er mich liebenswürdig an sich und küsst mich auf die Wangen. «Ich wünscheEuch von ganzem Herzen viel Freude», sagt er heiter. «Mein Bruder ist wirklich ein glücklicher Mann. Und ich bin froh, Euch meine Schwester nennen zu dürfen.»
Ich lächle ihn an und wende mich dann wieder dem Earl of Warwick zu. «Ich weiß, dass mein Ehemann Euch liebt und Euch wie einem Bruder und Freund vertraut», sage ich. «Es ist mir eine Ehre, Euch kennenzulernen.»
«Die Ehre ist ganz meinerseits», sagt er knapp. «Seid Ihr bereit?»
Ich werfe einen Blick hinter mich: Meine Schwestern und meine Mutter haben hinter mir Aufstellung genommen, um mir
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