Die Königin der Weißen Rose
Neffen verheiraten?»
«Ja», sagt er fest entschlossen.
«Ich schwöre, dass das niemals geschehen wird», erwidere ich erbost. «Und mehr noch: Ich weiß es mit Sicherheit. Ich kann voraussehen, dass das niemals geschehen wird.»
Er lächelt. «Ich beuge mich deiner überlegenen Voraussicht», sagt er und macht einen unübertrefflichen Diener vor meiner Mutter und mir. «Allein die Zeit wird deine Voraussicht als richtig oder falsch erweisen. Doch in der Zwischenzeit, in der ich König von England bin und die Macht habe, meine Tochter zu verehelichen, wie es mir gefällt, werde ich mein Bestes geben, um eure Feinde davon abzuhalten, euch als Hexen zu verleumden und an der nächsten Kreuzung aufzuhängen. Ich sage euch, so wahr ich König bin, nur wenn ein Weg gefunden wird, den Kriegen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, können wir euch und allen anderen Frauen und ihren Söhnen Sicherheit bieten.»
HERBST 1469
Warwick kehrt als teurer Freund und treuer Mentor an den Hof zurück. Wir sollen uns wie eine liebende Familie geben, in der es gelegentlich zu Streitereien kommt. Edward macht das ziemlich gut. Mein Begrüßungslächeln für Warwick gleicht einem Eiszapfen. Man erwartet von mir, dass ich so tue, als wäre dieser Mann nicht der Mörder meines Vaters und meines Bruders, dazu der Kerkermeister meines Gatten. Ich tue wie befohlen: Kein Wort des Zorns kommt über meine Lippen, doch Warwick weiß auch so, dass er in mir für den Rest seines Lebens eine erbitterte Feindin hat.
Aber er weiß, dass ich nichts sagen darf, und als er mich begrüßt, liegt etwas Triumphierendes in seiner leichten Verbeugung. «Euer Gnaden», sagt er aalglatt.
Ich fühle mich ihm gegenüber immer im Nachteil, als sei ich noch ein Mädchen. Er ist ein bedeutender Mann von Welt und hat das Schicksal des Königreichs entschieden, als ich gerade lernte, wie ich mich gegenüber der Mutter meines ersten Gemahls, Lady Grey, zu benehmen und dass ich meinem Gatten zu gehorchen hatte. Er sieht mich an, als sollte ich lieber weiterhin in Grafton die Hühner füttern.
Ich möchte kalt sein, doch ich fürchte, ich wirke nur trotzig. «Willkommen zurück am Hofe», sage ich widerwillig.
«Ihr seid zu freundlich», erwidert er mit einem Lächeln. «Die geborene Königin.»
Mein Sohn Thomas Grey fährt zornig auf, ein wütender junger Mann, und verlässt den Raum.
Warwick strahlt mich an. «Ach, die Jugend», sagt er. «Ein vielversprechender Bursche.»
«Ich bin nur froh, dass er nicht mit seinem Großvater und seinem geliebten Onkel in Edgecote Moor war», sage ich hasserfüllt.
«Oh, ich auch!»
Mag er mir das Gefühl geben, eine Närrin zu sein, eine Frau, die nichts ausrichten kann, doch was ich tun kann, werde ich tun. In meinem Schmuckkästchen liegt ein dunkles Medaillon aus schwarz angelaufenem Silber, und in seinem Inneren verwahre ich ein Stück Papier vom letzten Brief meines Vaters, auf das ich mit meinem Blut seinen Namen, Richard Neville, Earl of Warwick, und den Namen von George, Duke of Clarence, geschrieben habe. Dies sind meine Feinde. Ich habe sie verflucht. Ich werde sie tot zu meinen Füßen liegen sehen.
WINTER 1469/1470
In der finstersten Stunde der längsten Nacht des Jahres, zur Wintersonnenwende, gehen meine Mutter und ich zur Themse hinunter, die schwarz und ruhig daliegt. Der Weg vom Garten des Westminster Palace führt am Wasser entlang. Der Fluss steht hoch, aber er ist pechschwarz. Wir können ihn kaum ausmachen, aber wir hören, wie er den Anleger umspült und gegen die Mauern klatscht, und spüren eine breite Wasserfläche, die wie ein riesiges, geschmeidiges Tier atmet, wogend wie das Meer. Dies ist unser Element: Ich atme den Geruch des kalten Wassers ein wie jemand nach langem Exil den Duft der Heimaterde.
«Ich muss einen Sohn zur Welt bringen», sage ich zu meiner Mutter.
Und sie lächelt und sagt: «Ich weiß.»
In ihrer Tasche hat sie drei Dinge an drei Schnüren. Sie zeigt sie mir nicht, sondern vertraut sie vorsichtig wie ein Fischer, der eine Angelschnur auswirft, dem Wasser an und reicht mir die Schnüre zum Festhalten. Ich höre das leise Platschen, mit dem sie ins Wasser fallen. Ich erinnere mich an den goldenen Ring, den ich vor fünf Jahren zu Hause aus dem Fluss gezogen habe.
«Du wählst», erklärt sie mir. «Du wählst, welches du herausziehst.» Die drei Schnüre legt sie über meine linke Hand, ich halte sie fest.
Hinter den Wolken kommt der Mond hervor, ein fahler
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