Die Königin von Theben
von Hyksosschergen umbringen zu lassen?«
»Bestimmt nicht, Prinzessin!«
»Koptos wird bald eine tote Stadt sein«, prophezeite Ahotep, »und die Hyksos werden auch dort eine Festung bauen wie in Gebelein. Titi hat nur noch eine kleine Leibwache zur Verfügung, und er kann das Fest des Min nur im Geheimen feiern.«
Qaris war bedrückt. »Wie ich es mir dachte – wir sind umzingelt. Die Enklave Theben wird fallen.«
»Ich bin vom Gegenteil überzeugt: Wir müssen die Menschen aufrütteln, den Widerstand organisieren und uns Schritt für Schritt aus der Umklammerung befreien.«
»Ich habe Neuigkeiten aus Auaris«, sagte Qaris. »Apophis hat sich selbst zum Pharao ernannt, und seine Thronnamen sind dem heiligen Baum von Heliopolis eingeschrieben.«
»Das hat er nicht gewagt …«, stammelte Teti die Kleine, erschüttert bis ins Mark.
»Sehr bald werden wir seine Herrschaft anerkennen müssen, Majestät, und ihm Treue geloben. Gehört Theben denn nicht zu den Zwei Reichen, Ober- und Unterägypten?«
Die Königin war den Tränen nah. »Lasst mich allein!«
»Komm mit mir, Mutter. Ich werde dir beweisen, dass es noch Hoffnung gibt.«
Ahotep nahm die Königin am Arm und führte sie in ihr Zimmer, dessen Tür sie geräuschvoll aufstieß.
Seqen lag auf ihrem Bett, den Blick zur Decke gerichtet, und war so überrascht, dass er kaum noch Zeit hatte, sich zu bedecken.
»Ahotep! Das heißt doch nicht etwa …«
»Doch, Mutter. Seqen und ich haben uns das erste Mal geliebt. Von nun an werden wir unter einem Dach zusammenleben und sind somit verheiratet. Mein Gemahl wird dir selbst erzählen, wie er mit Hilfe seines Esels vier Hyksosschergen erledigt hat, die uns umbringen wollten. Unser erster Sieg, Majestät!«
»Ahotep, du …«
Die Prinzessin ahnte, was ihre Mutter sagen wollte und winkte ab. »Seqen gehört nicht zu einer ruhmvollen Familie, aber ist das wirklich wichtig? Ägyptische Prinzessinnen heiraten die, die sie lieben, und es ist ihnen egal, von wem ihre Männer abstammen. Er besitzt nichts und kann sich daher auch kein Jungfrauengeschenk leisten … Aber befinden wir uns nicht im Krieg? Unsere Seelen und unsere Körper sind in Harmonie vereint, und wir sind entschlossen, bis zu unserem Tod zu kämpfen. Ist das nicht das Wichtigste?«
»Wollt ihr … Kinder?«
»Wir werden zwei Söhne haben, und sie werden ebenso tapfere Krieger sein wie ihr Vater.«
»Na gut, dann …«
»Gibst du uns deine Einwilligung, Mutter?«
»Das heißt, also …«
Mit jugendlichem Ungestüm küsste Ahotep die Königin auf beide Wangen.
20
A us Wut nahm Tani, die Gattin des Hyksoskönigs, ihren Spiegel und warf ihn gegen die Wand, um ihn zu zerbrechen. Doch die herrliche Scheibe aus Kupfer hielt dem Aufprall stand, und Tani musste sich damit begnügen, ihn mit ihren Füßen zu zertrampeln.
Geboren im Delta, unweit von Auaris, hatte Tani das Glück gehabt, dem König zu gefallen, dessen Hässlichkeit sie fasziniert hatte. Doch sie ertrug es nicht, an ihre eigene Hässlichkeit erinnert zu werden, und es regte sie auf, wenn man sich in den Fluren des Palasts über sie lustig machte. Klein und stämmig, wie sie war, hatte sie schon alles versucht: Abmagerungspillen, Schönheitswässerchen, Schlammkuren … Allesamt Niederlagen, eine schmählicher als die andere.
Nichts schmeckte ihr besser als die fetten, schweren Gerichte, die sie gewohnt war, Fleisch mit reichhaltigen Soßen und Kuchen aller Art, und sie weigerte sich, darauf zu verzichten und hielt die Ärzte des Palasts, die ihr davon abrieten, für Scharlatane.
Ihr mächtiger Gatte war zu sehr mit seiner Macht beschäftigt, um sich mit Frauen abzugeben. Das eisige Blut, das in seinen Adern floss, reizte ihn nicht zu Liebesspielen, und wenn ihn von Zeit zu Zeit die Lust ankam, eine zur Sklavin gewordene vornehme junge Ägypterin zu vergewaltigen, so geschah dies einzig zum Zweck der Demonstration der absoluten Macht über seine Untertanen.
Von bescheidener Herkunft, gefiel es Tani außerordentlich, in ihren Diensten stehende adelige Damen zu schikanieren, denen sie, wenn die Hyksos nicht gekommen wären, hätte dienen müssen. Sie ließ keine Gelegenheit aus, sie zu demütigen und zu erniedrigen. Keine dieser Frauen durfte es wagen, sich ungehorsam zu zeigen oder sich gar zu widersetzen, denn auf ein einziges Wort der Gattin des Königs hin würde die Unverschämtheit mit Auspeitschung und anschließender Enthauptung geahndet. Es verging keine Woche, in der
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