Die Königin von Theben
einlassen, bei dem es mehr Aussichten gibt, alles zu verlieren, als den Sieg davonzutragen?«
»Bis heute habe ich mich arrangiert. Es reicht mir. Ich habe begriffen, dass diese Besatzung Ägypten in den Ruin getrieben hat und dass ich wie alle anderen von den Hyksos kaputt gemacht werde. Achtung! Dreht nicht zu schnell! Ich verliere sonst das Gleichgewicht …«
»Bist du dir deiner Bauern wirklich sicher?«
»Ihre Familien dienen der meinen seit mehreren Generationen, und alle hassen die Hyksos. Die Ägypter sind keine Krieger, das gebe ich zu, aber wenn sie zu viel leiden, wird ihnen das die Kraft verleihen, an der es ihnen bis jetzt noch mangelte.«
»Deine Schmiede … Können wir sie benutzen?«
»Man muss listig vorgehen. Die Miliz der Hyksos, die meine Ländereien überwacht, repariert ihre Waffen dort, aber es wird uns trotzdem gelingen, sie für unsere Zwecke zu nutzen.«
»Hast du das nötige Metall?«
»Einen kleinen Vorrat.«
»Wie hast du ihn dir beschafft?«
Der Ägypter zögerte.
»Wenn wir nicht alles sagen und einander nicht absolut vertrauen«, sagte der Afghane, »hat es keinen Sinn weiterzumachen. Ich bin bereit, dir das Kommando der Gruppe zu überlassen, aber du musst beweisen, dass du auch dazu fähig bist.«
Währenddessen drehten sich die Stangen in regelmäßigem Rhythmus, und der Most floss stetig in den Bottich.
»Ich hatte eine Quelle in Auaris«, gestand der Ägypter. »Ein Cousin, der in der großen Schmiede der Hauptstadt arbeitete und immer wieder ein wenig Kupfer abzweigen konnte. Bei einer unverhofften Kontrolle ist er festgenommen worden.«
»Wie können wir sonst an Metall kommen?«, fragte sich der Schnauzbart besorgt.
»Wir werden eine Lösung finden«, versprach sein Landsmann. »Zum Beispiel, indem wir die Frachtpapyri der Lieferungen für die Hyksos fälschen.«
Der Afghane wurde bissig. »Hattest du nicht kürzlich Besuch von einem hohen Würdenträger?«
»Ja, doch … Aber woher weißt du das?«
»Potenzielle neue Gruppenmitglieder werden überwacht. Zur Sicherheit …«
»Natürlich, ich verstehe …«
»Ich hingegen verstehe ganz und gar nicht«, sagte der Afghane, »was du mit Khamudi zu tun hast, Apophis' bösem Geist.«
»Das ist ganz einfach«, sagte der Ägypter ein wenig erregt. »Khamudi hat alle Schmieden der Region besucht, weil er die Produktion von Waffen strengstens überwacht.«
»Falsch! Er hat nur deine Schmiede besucht und sich lang und breit mit dir unterhalten.«
Der Afghane ließ plötzlich seine Stange los, und der Angesprochene fiel herunter.
»Mein Rücken …«, stöhnte er. »Es tut so weh … Aber warum …«
»Weil du ein Verräter bist.«
»Du irrst dich … Ich schwöre, dass du dich irrst!«
»Aber nein«, gab der Afghane zurück. Er nahm seine Stange und setzte sie dem Verletzten auf die Kehle. »Von der Freundschaft zwischen dir und Khamudi hast du wohlweislich nicht gesprochen … Er ist es nämlich, der dir den Befehl gab, dich bei uns einzuschleichen! Du bist einer seiner treuesten Informanten! Aber die Verstellung war nicht gut genug, du Mistkerl … Dein Vorgesetzter denkt, wir sind ein paar naive Idioten – er täuscht sich!«
»Ich schwöre dir …«
»Was soll man auf das Wort eines Verräters geben?«
Der Schnauzbart stieß dem Hyksosspion mit seiner ganzen Kraft die Stange in den Hals, und er starb nach wenigen Sekunden mit zerquetschtem Kehlkopf.
»Wenn er auf unserer Seite gewesen wäre … Zu schön, um wahr zu sein«, bemerkte der Afghane. »Aber wenigstens hat unsere Sicherheitsüberprüfung funktioniert. Wir dürfen nie aufhören, wachsam zu sein!«
19
D ie lange Zunge des Hundes leckte Seqens Gesicht. Er schlief neben seinem Esel.
»Ach, du bist es, Lächler …«
Der Hund versuchte, sich auf den Bauch des jungen Mannes zu setzen. Seqen fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen, rollte sich auf die Seite und sprang auf.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel.
Seqen war ratlos. Er wusste nicht mehr, ob er sich im Palast melden oder die Stadt verlassen sollte, um dem Zorn der königlichen Familie zu entgehen. Wenn er Ahotep anflehte, ihm zu verzeihen, würde sie vielleicht ein Einsehen haben … Aber sollte er sich wirklich so demütigen? Wenn auch wahnsinnig, so war seine Liebe doch schuldlos! Und er gehörte nicht zu denen, die feige vor irgendetwas das Weite suchten.
»Komm, mein Kleiner, wir gehen zu deiner Herrin.«
Wenig geschminkt und in einem langen, blassgrünen
Weitere Kostenlose Bücher
Die vierte Zeugin Online Lesen
von
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg