Die Königin von Theben
Tani sich nicht ihrem Vergnügen an einem solchen Schauspiel hätte hingeben können.
Es gab aber einen Wermutstropfen in dieser Herrlichkeit – der Einzug der Gattin Khamudis in den Palast, einer opulenten Blonden, die nicht aufhörte, die Brust kokett vorzuschieben und mit dem Kopf zu wackeln wie eine Gans, vor allem, wenn der König selbst zugegen war. Aber diese Hexe wusste, dass ihr Mann nicht den geringsten Verstoß gegen die Ordnung dulden würde. Hatte Khamudi nicht seine letzte Gemahlin, die er in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer in den Armen eines Liebhabers ertappt hatte, mit eigenen Händen erdrosselt?
Tani, der Apophis den Titel Königin und Herrscherin über Ägypten beharrlich verweigerte, schätzte Khamudi. Er war brutal, ehrgeizig, mitleidlos, berechnend und verlogen … kurz, er besaß alle notwendigen Eigenschaften eines Hyksos von vornehmem Geblüt. Selbstverständlich würde er seinem Meister Apophis nie das Wasser reichen können, und er würde nach seinem eigenen Willen immer der Zweite bleiben … Andernfalls würde Tani selbst sich der Aufgabe widmen, seine brillante Laufbahn zu Ende zu bringen.
»Dass du mir ja genug Lidschatten aufträgst«, befahl sie in knappem und strengem Ton einer Dienerin, deren Familie zu den reichsten der Stadt Sais gehörte.
Trotz der Geschicklichkeit der Schminkzofe war das Ergebnis katastrophal. Die Unglückliche hatte die Grobheit und die charakteristische Härte der Züge verwischen wollen und hatte sie stattdessen nur noch mehr hervorgehoben.
»Du machst dich über mich lustig!«, schrie Tani, indem sie ihrer Zofe mit dem Spiegel ins Gesicht schlug.
Das Mädchen war verletzt und tief betrübt.
»Schafft sie mir vom Hals«, sagte Tani zu den anderen, die stumm vor Entsetzen danebenstanden, »und wascht mir das Gesicht! Ich muss zum König.«
»Beeil dich und beschränk dich auf das Wesentliche, Tani. Ich werde im Großen Rat erwartet.«
»In die Politik will ich mich nicht einmischen, aber ich habe eine Information, die dich interessieren wird.«
»Na gut, dann lass hören.«
»Eine meiner Dienerinnen hat es unter der Folter gestanden: Die Ägypter machen einander immer noch Geschenke, ohne dafür Steuern zu bezahlen. Ich habe eine Liste von Namen, die Khamudi entzücken werden.«
»Gute Arbeit, Tani.«
Der König verließ sein Arbeitszimmer und ließ sich, von seiner Leibwache umgeben, in einer Sänfte zum Sethtempel tragen. Unter dem Schutz des Gewittergottes würde er den Verwaltungsbeamten der Hyksos die wirtschaftlichen Vorgaben verkünden, die unverzüglich und ohne Ausnahmegenehmigungen in die Tat umzusetzen waren.
Dank seiner Gattin hatte er feststellen können, dass die Regeln der alten ägyptischen Wirtschaftsweise noch immer lebendig waren und dass man noch mehr Zeit brauchte, um sie völlig zum Verschwinden zu bringen. Je reicher man ist, desto mehr soll man opfern, hatten die Pharaonen festgelegt, und sie hatten dieses Gesetz auch auf sich selbst angewandt. Großzügigkeit galt als soziale Pflicht, und Profit war kein erstrebenswertes Ziel. Ein Würdenträger, der sich nicht als großzügig erwies, verlor seinen guten Ruf, fiel aus dem Schutzbereich der Maat und sank zu einem gewöhnlichen Menschen herab, der alles verlor, was er erworben zu haben glaubte.
Die Qualität der Dinge wurde als wichtiger angesehen als ihr Handelswert, und es gehörte zu den Aufgaben der Tempel, sie sicherzustellen, wie sie auch für den Umlauf der Opfergaben zu sorgen hatten. Sie trugen somit dazu bei, eines der ersten Ziele des Pharaonenreichs zu verwirklichen: die soziale Zusammengehörigkeit, verbunden mit dem Wohl jedes Einzelnen.
Jeder Einzelne besaß die Freiheit, das herzustellen, was er zum Leben brauchte, nach Maßgabe seiner handwerklichen Fähigkeiten, und wenn er mehr brauchte, so konnte er es sich durch Tausch erwerben, auch wenn es sich um Dienstleistungen handelte. Wenn sich etwa ein Schreiber ein Haus bauen wollte, schrieb er die Briefe des Maurers im Tausch gegen dessen Arbeitsstunden.
So war in der ägyptischen Gemeinschaft der Zwei Reiche jedes Individuum gleichzeitig Schuldner und Gläubiger mehrerer anderer wirtschaftlich Handelnder. Der Pharao wachte über das Gleichgewicht des Gabentauschs und darüber, dass überall Großherzigkeit geübt wurde. Wer empfing, musste geben, selbst wenn es sich nur um kleine Mengen handelte oder wenn in diesem Hin und Her Verzögerungen auftraten. Und der König, der so viel von den Göttern
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