Die Königin von Theben
Überraschungen«, erklärte der Afghane. »Im Allgemeinen bedeuten sie für Leute wie uns nichts Gutes.«
»Eure Neugier verdient es, zufrieden gestellt zu werden.«
Misstrauisch um sich blickend, trat der Schnauzbart in die Hütte. Sein Körper war angespannt, und er war bereit, sich gegen jedweden Angreifer zur Wehr zu setzen. Der Afghane hätte sich beim geringsten Zeichen von bösen Absichten auf Seqen gestürzt, obwohl dieser größer und stärker war als er.
Tierdärme.
Dutzende von Tierdärmen verschiedener Größe.
»Hier seht ihr das wichtigste Ergebnis der Jagd«, sagte Seqen. »Ihr versteht, was ich meine?«
Der Pharao und der Afghane maßen einander mit Blicken.
»Wozu sind diese Därme gut?«, fragte der Afghane dann. »Sollen es Saiten für Musikinstrumente werden oder … für Bögen? Feuersteine, Därme … Theben rüstet sich, nicht wahr? Und Ihr seid der Befehlshaber.«
Der Afghane stand Seqen gegenüber, der Schnauzbart hielt sich hinter ihm. Wenn sie ihn gleichzeitig angriffen, musste der König blitzschnell reagieren, um ihren vereinten Kräften zu entkommen. Er hatte es hundertmal geübt.
Der Schnauzbart setzte ein Knie auf den Boden. Der Afghane tat es ihm nach.
»Wir erwarten Euren Befehl.«
Seqen hatte keine Augen für die Pracht der Sterne, die an einem Himmel aus Lapislazuli schimmerten und glänzten. Außer sich vor Sorge durchmaß er mit großen Schritten den Gang im Palast, der zu dem Zimmer führte, wo Ahotep in den Wehen lag.
Der Leibarzt hatte ihm nicht verhohlen, wie pessimistisch er war. Und die drei Hebammen, die so viel Erfahrung hatten, waren ebenfalls äußerst nervös. »Es kann nur entweder die Mutter oder das Kind überleben«, hatte eine von ihnen vorausgesagt.
Bei dem Gedanken, dass er Ahotep verlieren könnte, war der König von schierer Verzweiflung überwältigt worden. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Ohne die Königin wäre er unfähig, den Kampf fortzusetzen. Sie war die Seele des Kampfes, sie verkörperte die Vereinigung von Magie und Willenskraft. Mit ihr war nichts unmöglich. Ihre Liebe war das Feuer, das ihn belebte, die Luft, die ihn atmen ließ, das Wasser, das er brauchte, um stark zu sein, die Erde, die ihm Halt gab.
Und wenn ihr Kind starb, würde sie daran zerbrechen.
Qaris beugte sich immer wieder mit düsterem Blick über sein Modell, Heray trank Bier, ohne Durst zu haben, Teti die Kleine wachte über den Schlaf des kleinen Kamose. Jeder von ihnen wusste, dass die Zukunft des Landes in diesem kleinen Zimmer auf dem Spiel stand, wo der Gott des Schicksals über Tod oder Leben entschied.
Seqen hatte seine Frau nicht nur immer stärker und tiefer zu lieben gelernt. Er bewunderte sie auch immer mehr. In ihr lebte der Stolz der Königinnen des Alten Reichs, jener goldenen Zeit des Glanzes und der Größe, und wenn Ahotep ihn ansah, war es ihm, als könnte das große Ägypten, wiewohl gedemütigt und erniedrigt, zu neuem Ruhm auferstehen.
Ahotep war fähig, dem Unglück Einhalt zu gebieten.
Dieses Unglück, das sich wie ein riesiger Drachen vor einem Menschen aufbäumte und drohte, ihn unter sich zu begraben. Und Seqen konnte dieser Frau, die er liebte und verehrte, nicht helfen.
Er hatte Lust, seine Empörung laut herauszuschreien, die Ungerechtigkeit anzuklagen und die Götter zu beschwören, damit sie diese Frau nicht im Stich ließen, die sie selbst auf den Thron gesetzt hatten und die in jeder Situation ihres Lebens versucht hatte, ihrem unerforschlichen Willen Genüge zu tun.
Teti die Kleine, unruhig und von zerbrechlicher Gestalt, näherte sich ihrem Schwiegersohn.
»Was auch immer passiert«, versprach er ihr, »ich werde angreifen. Wenigstens wird Theben in Würde sterben.«
Da öffnete sich die Tür der Kammer und eine der Hebammen erschien, das Gesicht von Erschöpfung gezeichnet.
Seqen fasste sie mit beiden Händen an den Schultern. »Du musst es mir sagen!«, verlangte er.
»Ihr habt einen zweiten Sohn. Die Königin lebt, aber sie ist sehr schwach.«
50
D ie Statue aus Kalkstein stellte Sesostris I. auf seinem Thron sitzend dar, den Blick zum Himmel erhoben.
»Jetzt!«, kommandierte der König mit seiner rauen Stimme.
Mit einem gewaltigen Schlag enthauptete Khamudi dieses Meisterwerk, das seinen Herrn so aufbrachte.
Es war die zweite alte Statue im Tempel des Gottes Seth, die er zerstörte, in Anwesenheit hoher Würdenträger der Hyksos, die begeistert waren, diese Zeugnisse einer überholten Kultur verschwinden
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