Die Königliche (German Edition)
hat«, fuhr Piper ihn an, »und wenn, wäre es nicht an Ihnen, das zu hinterfragen. Stehen Sie auf, Mann. Erweisen Sie der Königin Respekt.«
»Nein«, sagte Bitterblue. »Alle sollen sich setzen.«
Ein kurzer Moment des Schweigens folgte. Dann setzten sich Hunderte von Leuten hastig auf ihre Stühle. Bitterblue erkannte Bren vier oder fünf Reihen hinter ihrem Bruder im Publikum, mit goldenem Haar und angespanntem Gesichtsausdruck. Ihre Blicke begegneten sich. Bren starrte sie an, als wollte sie Bitterblue ins Gesicht spucken. Und jetzt musste Bitterblue an Teddy zu Hause in seinem Bett denken. Teddy würde so enttäuscht von ihr sein, wenn er die Wahrheit erfuhr.
Ihre Finger umklammernd ging Bitterblue zu ihrem Platz und setzte sich ebenfalls; dann sprang sie erschrocken wieder auf und setzte sich erneut, diesmal nicht auf ihr Schwert. Bo. Kannst du mich hören? Kommst du bitte? Oh, bitte komm schnell!
Sie hielt einen Kanal für Bo offen, wandte ihre Aufmerksamkeit jedoch dem ungewöhnlich großen Wachaufgebot bei Saf auf der Anklagebank zu und fragte: »Soldaten, wer von Ihnen wäre so freundlich, mir die Misshandlung dieses Mannes durch die Monsea-Wache zu erklären?«
Einer der Soldaten stand auf und blinzelte sie durch zwei beeindruckend blau angelaufene Augenhöhlen an. »Königin«, sagte er, »ich bin der Hauptmann dieser Einheit. Der Gefangene leistete so erbitterten Widerstand gegen die Festnahme, dass einer unserer Männer mit einem gebrochenen Arm auf der Krankenstation liegt. Wir hätten ihn sonst nicht angerührt.«
»Du kleines Miststück«, sagte Saf verwundert.
»Nicht!«, rief Bitterblue, die aufgesprungen war und dem Soldaten, der bereits ausgeholt hatte, um Saf erneut zu schlagen, den Finger entgegenstreckte. »Es ist mir egal, wie er Sie nennt«, sagte sie zu dem Wachmann, obwohl sie ganz genau wusste, wen Saf gemeint hatte. »Es werden keine Gefangenen geschlagen, außer in Notwehr.« Oh, Bo, er macht es mir nicht leicht. Wenn er die Wahrheit sagt, weiß ich nicht, was ich machen soll. So tun, als wäre er wahnsinnig? Wahnsinn wird ihn hier nicht herausholen. Und alle standen schon wieder halb auf, woraufhin sie am liebsten geschrien hätte. Sie ließ sich erneut auf ihren Platz sinken und sagte: »Was habe ich verpasst? Wen soll er umgebracht haben?«
»Einen Ingenieur aus der Oststadt namens Ivan, Königin«, sagte Piper.
»Ivan! Der, der die Brücken gebaut und die Wassermelonen gestohlen hat? Er ist tot?«
»Ja, Königin. Genau der Ivan.«
»Wann ist das passiert?«
»Vor zwei Nächten, Königin«, sagte Piper.
»Vor zwei Nächten«, wiederholte Bitterblue und verstand dann, was das bedeutete. Ihr Blick durchbohrte Piper. »Vorletzte Nacht? Um wie viel Uhr?«
»Kurz vor Mitternacht, Königin, unter dem Uhrenturm auf der Monster Bridge. Es gibt einen Zeugen, der alles gesehen hat. Direkt danach schlug die Turmuhr.«
Ihr Herz sank ihr bis in die Stiefel, bis in den Boden, bis in die Erde unter ihrem Schloss, und Bitterblue zwang sich dazu, Saf anzusehen. Und ja, natürlich erwiderte er ihren Blick, mit verschränkten Armen und einem gemeinen, verzerrten Grinsen seines zerschlagenen Mundes, da Saf natürlich ganz genau wusste, dass er vorletzte Nacht kurz vor Mitternacht auf dem Dach der Druckerei ihre Hände gehalten, ihre dritte Frage beantwortet und ihr das Gefühl genommen hatte, jeden Moment von der Erdoberfläche zu fallen. Er hatte ihr seine Uhr gegeben, um ihre Höhenangst zu lindern. Sie hatten den Glockenschlag zusammen gehört. Oh, Bo, ich verstehe nicht, was hier los ist. Irgendjemand lügt. Was soll ich nur tun? Wenn ich die Wahrheit sage, werden meine Ratgeber wissen, dass ich mich rausgeschlichen habe, und ich kann es nicht ertragen, dass sie es erfahren. Ich kann es einfach nicht, sie werden mir nie wieder vertrauen, sie werden sich mir dauernd entgegenstellen, sie werden versuchen, mich zu kontrollieren. Und das ganze Königreich wird darüber spekulieren, ob ich eine geheime Affäre mit einem Seemann aus Lienid habe, der ein Dieb ist. Ich werde allen gegenüber meine Glaubwürdigkeit verlieren. Ich bringe Schande über mich und alle, die mich unterstützen. Was soll ich nur tun? Wo ist der Ausweg?
Wo bist du?
Du hörst mich nicht, oder? Du kommst nicht.
»Der Angeklagte hat angeblich ein Alibi, Königin«, fuhr Piper fort. »Er behauptet, er habe mit einer befreundeten Person bei sich auf dem Dach gesessen und die Sterne beobachtet. Er behauptet weiterhin,
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